Erbe des Drachenblutes (German Edition)
So war ihr Gesetz. Der Gott, der eines Tages gegen dieses Gebot verstieß, in dem er uns erschuf und daraufhin bestraft und verbannt wurde, war einer ihrer eigenen Söhne: Pontos, der Gott des Meeres. Was genau mit ihm geschah, weiß niemand, doch die Legenden sagen, dass der Zorn seiner Mutter seine Seele an einen verborgenen Ort fesselte, so dass er niemals Dra'Ira verlassen könne. Trotzdem hat ihn niemals wieder jemand erblickt, und Gaia verließ mit all ihren restlichen Kindern unsere Welt. Wir – die jungen Völker – blieben alleine mit den Drachen zurück. Drachen sind unglaublich klug und fast allwissend, denn immerhin stammen sie direkt vom Blut Gaias ab. Trotzdem sind sie Wesen, die die Einsamkeit und Abgeschiedenheit lieben und schätzen. Sie fühlten sich durch uns bedroht und sahen ihre Reviere gefährdet. Die jungen Völker vermehrten sich in einem Maß, bei dem die Drachen nicht mithalten konnten. Sie rodeten die Wälder, in denen die Drachen ihre Jungen großzogen, und bauten auf dem Land Häuser und Städte. Sie jagten das Wild, das den Drachen als Futter diente, bis sich die Tiere in Regionen flüchteten, in denen die Drachen sie kaum noch erreichen konnten. Und am Ende beanspruchten die jungen Völker sogar die Berge, in die die Drachen sich zurückgezogen hatten, um Ruhe vor all diesen störenden Kreaturen zu finden. Manche Rassen wie die Zwerge gruben Gänge und Minen bis tief in die Herzen der riesigen Steinkolosse und bauten Erze, Kalisalze und vieles mehr ab. Aus Sicht der Drachen war es ein Frevel, die Gebirge in Besitz zu nehmen, und somit unentschuldbar. Für sie waren wir nur Maden, die sich in die Berge wie in das Fleisch toter Tiere gruben. Und irgendwann kam es dann, wie es kommen musste. Die Unstimmigkeiten wuchsen, bis der Krieg unabwendbar war und wir alle wussten, dass die Drachen als Sieger hervorgehen würden. Sie waren größer, unvorstellbar stark und unbezwingbar, was den aufkommenden Konflikt für uns kleine Sterbliche entsetzlich gestaltete. Ganz Landstriche wurden durch Drachenfeuer verwüstet, und kein Versteck, gleich wie tief oder wie hoch es gewählt wurde, bot Sicherheit. So verödeten ganze Regionen, so wie auch jene, die heute noch als das verlorene Reich bekannt ist. Einst war das Land die Heimat der Drachen, doch heute gibt es dort nur noch Staub und Wüste, so weit das Auge reicht.«
»Unvorstellbar«, flüsterte Mina. »Gibt es noch andere Reiche mit Regenten, die nicht der Drachentochter unterstellt sind?«
»Nun, das wissen wir nicht. Falls es noch andere zivilisierte Völker hinter dem verlorenen Reich gibt, haben wir keinen Kontakt mit ihnen. Niemand hat seitdem das Reich der Drachentochter verlassen. Oder besser gesagt, niemand hat versucht, das verlorene Reich zu durchqueren, um nachzusehen, was mit den Bewohnern dahinter geschehen ist. Auch hat niemals jemand versucht, von der anderen Seite zu uns zu gelangen, soweit ich zumindest weiß.«
»Pff, als wenn wir für so was Zeit hätten!«, mischte sich Nexus ein. »Gefährliche Reisen in totes Land? Nein, nein, wir Kobolde haben genügend eigene Probleme, was interessieren uns die Geheimnisse des verlorenen Reichs? Zeitverschwendung! Ich glaube, wie viele andere auch, dass die Drachen vor ihrem Ende auch das Land hinter dem verlorenen Reich völlig vernichtet haben, ja, ja. Warum sonst sollte jede Verbindung dorthin abgebrochen sein? Magier hätten auch auf weite Entfernung Kontakt mit der Drachentochter halten können, haben sie aber nicht, also gibt es keine Magier mehr im verlorenen Reich. Das ist zumindest Nexus' Meinung.« Stolz erhob er sein Haupt.
Mina dachte darüber nach. »Und deine Regentin hätte dir neunmalklugen Kobold erzählt, wenn es noch Kontakte gäbe?«
Nexus blinzelte verwirrt, darauf fiel ihm nichts ein. Zados schüttelte andächtig den Kopf. »Ich halte es für einen Fehler, dass wir jedwede Weitsicht über die Grenzen unseres Reiches hinaus verloren haben. Dennoch ist dem so. Ich kann nur hoffen, dass wir das nicht eines Tages bereuen werden. Aber grundsätzlich hat Nexus recht: Wir hatten so viele Schwierigkeiten hier im Reich der Drachentochter, dass wir für die Geheimnisse in der restlichen Welt keine Zeit hatten.«
Mina räusperte sich. »Zados, du wolltest mir etwas über die List der Elben berichten, die den Sieg bescherte.«
Der Elb blinzelte. Kurz wirkte er unkonzentriert. Seine Gedanken hatten ihn davongetragen, doch dann besann er sich wieder. »Ja, die List.
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