Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Wassereimer einer Kräutersammlerin um, in dem unterschiedliche Blätter und Grünpflanzen eingeweicht waren.
»He, ihr Lausbuben!«, rief sie hinter ihnen her und hob die geballte Faust gen Himmel. Die Kinder lachten und flitzten um die Ecke der nächsten Hütte.
Die Bewohner des Dorfs führten ein friedvolles Dasein. Die meisten von ihnen lebten von Ackerbau und Handel, doch der eine oder andere hatte sich auf besondere Künste spezialisiert. So gab es einen Spiegelmacher in der kleinen Siedlung, der seine kunstvollen Werke sogar in den Palast der Drachentochter lieferte. Und die handwerkliche Arbeit des Waffenschmiedes war bei der Leibgarde der Regentin ausgesprochen begehrt, denn seine Klingen waren nicht nur perfekt ausgewogen, sondern auch äußerst stabil und von höchster Qualität. Grazile Schutzrunen rundeten die Besonderheit der Waffen ab.
»Bralla!«, rief ein älterer Mann in schlichter Baumwollkleidung, der geruhsam auf die Kräutersammlerin zuging. Er lächelte. »Lass dich doch nicht von den kleinen Wilden ärgern.«
»Ärgern?« Wütend schaute sie zu dem Älteren. »Simon, du bist zwar unser Dorfältester, aber das gibt dir nicht das Recht, über so ein unzumutbares Verhalten hinwegzusehen. Ich bitte dich! Das ist nicht das erste Mal, in der sie ohne Sinn und Verstand auf der Straße rumrennen und meine Ware beschädigen.« Sie zeigte auf einige aufgeweichte Kräuter, die nun zertrampelt auf der Straße lagen.
Gerade hob Simon seine Hände zu einer beruhigenden Geste, da stockte er. Tiefe Furchen des Zweifels zeigten sich auf seiner Stirn.
Bralla bemerkte sein Zögern und legte den Kopf schief. »Simon, was hast du?«
Ruckartig drehte er den Kopf gen Süden. Kurz darauf blickte er gen Norden.
»Simon?«
Er schaute sie an. »Hörst du die Vögel noch singen?«, fragte er irritiert.
Die junge Frau lauschte. »Hm … nein, du hast recht. So still war es schon seit Wochen nicht mehr.« Sie schaute den Dorfältesten an. »Machst du dir deswegen Sorgen?«
Für eine Antwort hatte er keine Zeit. Sein Atem ging schneller. Nicht nur die Stimmen der Vögel waren verstummt, sondern auch das Rauschen der Blätter in den Kronen der Bäume vernahm er nicht mehr. Ohne ein Wort der Erklärung ließ er Bralla stehen und eilte die Straße hinauf.
»Simon?«, rief sie ihm noch verwundert nach, doch er blickte nicht zurück. Die Stille, die ihn und das ganze Dorf umgab, ließ pures Eiswasser durch seine Adern fließen.
`Das darf nicht sein. Das darf einfach nicht wahr sein ´, schoss es ihm wieder und wieder durch den Kopf. Dann sah er die letzten Häuser des Dorfes und erkannte einen schemenhaften Schimmer in der Luft dahinter. »Nein …«, hauchte er entsetzt. Er war am letzten Lehmhaus angekommen und blieb stehen. Langsam streckte er seine Rechte aus und berührte etwas, was nach seiner Überzeugung nicht da sein durfte. Seine Hand traf auf einen festen Widerstand, der an eine stabile Mauer erinnerte. »Oh ihr Götter, erbarmt euch meines Volkes. Habt Mitleid und lasst es nicht geschehen!«
Fest drückte er seine Augen zusammen. Hinter ihm näherten sich Schritte. Einige unruhig gewordene Dorfbewohner hatten sein ungewöhnliches Verhalten beobachtet und waren – mit Bralla an der Spitze – ihm nachgelaufen.
»Simon, was geschieht hier?« Brallas Blick ging an ihm vorbei. Auch sie erkannte die kaum sichtbare Begrenzung in der Luft.
Simon drehte sich zu ihnen um. »Das ist eine magische Kuppel, Bralla. Sie riegelt unsere komplette Siedlung ab.«
»Woher wusstest du das, Ältester?«, fragte ein junger Mann, der eine schmutzige Arbeitsschürze umgebunden hatte. »Ich habe gesehen, wie du auf einmal losgelaufen bist.«
»Die Stille. Diese unnatürliche Stille. Das hier, meine Lieben, ist möglicherweise …« Sein Hals wurde trocken, er räusperte sich, dann vollendete er seinen Satz: »… unser Ende.«
»Unser Ende?« Bralla legte entsetzt die Hand vor den Mund. »Wieso sagst du so etwas?«
Simon schaute durch die fast durchsichtige Kuppel und sah, wie sich die Grashalme im Wind bewegten. Er zeigte darauf. »Schaut. Dort draußen ist etwas, was wir zum Leben brauchen und von dem wir abgeschnitten sind. Unsere Regentin hat in alle befriedete Siedlungen Nachrichten geschickt. Darin stand, dass in unserem Land merkwürdige Dinge vorgehen ... sie nennen es `den lautlosen Tod´.«
»Der lautlose Tod? Was ist das?« Bralla bekam Gänsehaut.
»So genau besagte das die Nachricht nicht. Es stand nur
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