Erben der Macht
Loas, haben dir eben das nicht umsonst befohlen. Wer bist du, dass du es wagst, von uns dafür Rechenschaft zu fordern?“
Gus nickte ergeben. Baron Samedi hatte recht, es war vermessen gewesen, zu zweifeln. Die Loas wussten schließlich mehr als jeder Mensch.
„Herr, wird das Tor versiegelt werden?“
„Vielleicht, vielleicht nicht. Selbst die Loas sind nicht imstande, den Ausgang vorherzusagen. Aber das muss dich nicht kümmern. Tu, was du Sheeba zugesagt hast. Und ich empfehle dir, vorher deine Angelegenheiten zu regeln, denn du wirst nach dem Weihen des Houmfo nicht mehr nach Hause zurückkehren. Ich werde dich abholen, und es wird mir eine Freude sein.“ Er verschwand mitsamt dem leeren Glas und seiner Zigarre. Zurück blieb nur der aromatische Duft des Rauches.
Gus blieb eine Weile sitzen, bis das Gefühl von Ehrfurcht etwas nachgelassen hatte. Dann stand er auf, ging in seine Wohnung und begann, seine weltlichen Dinge zu regeln, zutiefst dankbar für die Gnade, dass er ungefähr wusste, wann seine Zeit gekommen war. Er würde bereit sein.
*
Bruder Thomas blickte aus dem Fenster auf das Gebäude der Free Methodist Church, 2302 West Morris Street in Indianapolis, und verspürte den Drang, hinüberzugehen und in der ruhigen Atmosphäre eines geweihten Ortes zu beten. Das ging jedoch aus mehreren Gründen nicht. Zum einen war Thomas nicht allein, sondern befand sich in Begleitung von elf seiner Mitbrüder, dem kümmerlichen Rest des Ordens der Heiligen Flamme Gottes. Zum anderen gehörten sie nicht zu den Methodisten, sondern zu den Katholiken. Drittens waren sie auf der Flucht vor dem FBI und anderen Behörden, die den Orden vor drei Wochen zerschlagen hatten.
Was genau passiert war, hatten sie immer noch nicht herausgefunden. Bruder Samuel, der Leiter ihrer kleinen Gruppe, war überzeugt, dass die Dämonen der Py’ashk’hu-Dynastie dahintersteckten und dem FBI mit magischen Tricks auf die Sprünge geholfen hatten. Da die Dämonen nicht in das Kloster hineinkamen, das von Gottes segensreicher Macht vor ihnen geschützt wurde, hatten sie sich ganz profan des FBI bedient. Schließlich existierte der Orden in erster Linie, um zu verhindern, dass die halbmenschlichen, auserwählten Abkömmlinge dieser und der Ke’tarr’ha-Dynastie das Dämonentor öffneten, um die Hölle auf der Erde zu entfesseln. Seit ungefähr tausend Jahren arbeiteten die Mönche auf dieses Ziel hin. Mehrfach war es ihnen in der Vergangenheit gelungen, einen der Auserwählten zu töten. Und vor dreiunddreißig Jahren hatten sie es geschafft, den Fürsten der Ke’tarr’ha in eine Falle zu locken und zu vernichten. Ein beispielloser Triumph, da sie geglaubt hatten, dass mit ihm seine Dynastie ausgestorben wäre.
Leider ein bitterer, als sie feststellen mussten, dass es ihm bereits gelungen war, eines der beiden Kinder zu zeugen, das zusammen mit seinem Pendant aus der Py’ashk’hu-Dynastie das Tor öffnen konnte. Alle Versuche, dieses Kind – ein Mädchen, inzwischen eine junge Frau namens Bronwyn Kelley – aufzuspüren und zu töten, waren fehlgeschlagen. Unter anderem deshalb, weil die Hüter der Waage dreiunddreißig Jahre ihre schützende Hand über sie gehalten hatten. Deshalb hatte der inzwischen tote Bruder Michael sie erst kürzlich mit seinen seherischen Fähigkeiten aufgespürt.
Doch was immer die Mönche seitdem versucht hatten, um sie auszuschalten, sie waren gescheitert. Fast alle Brüder, die sie in verschiedene Fallen hatten locken wollen, waren tot, unter ihnen Thomas’ Vater. Thomas rieb sich die Oberarme, als er daran dachte, wie knapp er selbst und vier seiner Begleiter dem Tod entronnen waren. Nein, nicht entronnen. Bronwyn Kelley hatte ihnen das Leben geschenkt. Obwohl zwanzig Mönche ihr und ihrem Gefährten nach Indien gefolgt waren, um sie zu töten. Diejenigen, die sie angegriffen hatten, waren durch die Kugeln aus ihren eigenen Waffen umgekommen. Die sie nicht angegriffen hatten, blieben am Leben. Bronwyn Kelley hatte sie sogar durch ihren dämonischen Leibwächter zurück nach Hause bringen lassen. Obwohl Bruder Samuel keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass sie nichts unversucht lassen würden, um sie und ihren Gefährten zu töten.
Samuel glaubte keine Sekunde der Versicherung der beiden, dass sie das Eine Tor versiegeln und nicht öffnen wollten. Thomas neigte dazu, ihnen zu glauben. Wenn sie wirklich auf der Seite der Dämonen stünden, hätten sie dann fünf ihrer Todfeinde am
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