Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
mit Jaden dem schon sehr nahe gekommen. Sich vorzustellen, wie es sein würde, war der Wirklichkeit nicht mal ansatzweise gerecht geworden. Sie hätte sich nur gewünscht, die Nacht wäre erfreulicher zu Ende gegangen, zum Beispiel ohne Vampirüberfall.
Natürlich wäre sie auch aus der Bahn geworfen gewesen, wenn die Ptolemy nicht aufgekreuzt wären. Der Sex war fast schon zu intensiv gewesen und hatte eine Verbindung zwischen Jaden und ihr geschaffen, die viel inniger war, als sie sich das je hätte träumen lassen. Während Jaden in ihr war, hatte er sich mehr wie eine Erweiterung ihrer selbst als wie ein anderes Wesen angefühlt. Und auch hinterher war da diese Innigkeit gewesen, eine Innigkeit voller wirrer Gedanken und Gefühle, die alle nur den einen unmöglichen Schluss zuließen.
Sie war dabei, sich zu verlieben.
Schlimmer noch, sie hatte es bereits ausgesprochen.
Es war ihr klar geworden, als sie hinterher dagelegen hatten und sie dem Rhythmus ihrer im Gleichtakt schlagenden Herzen gelauscht hatte. Sie war viel zu euphorisch und viel zu glücklich gewesen, um sich noch länger dagegen zu wehren. Und kaum hatte sie es gedacht, hatten ihr die Worte auch schon auf der Zunge gelegen, und die absolute Gewissheit hatte sich ihrer bemächtigt, dass sie immer in seiner Nähe sein sollte, dass sie niemals irgendwo sein sollte, wo sie sein Gesicht nicht sehen konnte.
Unseligerweise war damit auch ein weiteres Gefühl aufgetaucht, die ihr unvertraute Empfindung, ihm zu
gehören
. Bei dem Gedanken verzog Lyra das Gesicht. In Wolfspartnerschaften ging es immer um Besitz, und das war einer der Gründe, weshalb sie keine Beziehung wollte. Wenn sie ein derartiges Gefühl schon dann entwickelte, wenn sie mit einem Typen schlief, mit dem sie nicht mal eine Beziehung haben konnte, wie viel schlimmer musste es dann erst mit einem Wolf sein? Niemand würde sie jemals besitzen. Am besten wäre es, sich gar nicht erst zu verlieben, das wusste sie genau. Also musste sie eine Lösung finden, musste ihre Gefühle abwürgen, bevor sie in ihnen versank.
Was natürlich voraussetzte, dass das nicht bereits geschehen war. Aber sie musste einfach daran glauben, dass sie damit aufhören konnte. Denn wenn sie das nicht tat, würde sie alles in Zweifel ziehen müssen, woran sie glaubte.
Lyra spülte die Seife ab und strich gedankenverloren über ihren Körper, um die letzten Schaumreste wegzuwischen. Als sie mit dem Schwamm über ihren Arm fuhr, fiel ihr auf, dass etwas anders war als sonst. Beinahe wäre es ihr gelungen, das zu ignorieren, obwohl in ihrem Hinterkopf laut die Alarmglocken schrillten. Aber ihr Blick wurde magisch angezogen, gegen ihr besseres Wissen. Um ihren rechten Arm, etwa in der Mitte des Bizeps, schlang sich ein schwaches, aber nicht zu übersehendes Band mit einem komplizierten Muster.
Der Schwamm fiel zu Boden, ohne dass Lyra es mitbekommen hätte. Sie starrte das Band an, dann hob sie vorsichtig die linke Hand, als könne das Mal sie verbrennen, wenn sie es berührte. Behutsam fuhr sie mit einem Finger darüber, erst sanft, dann immer kräftiger.
»Nein«, sagte sie, während sie immer heftiger auf ihrer Haut herumrubbelte, die bereits ganz rot war. »Nein, also wirklich! Nun mach schon! Nein!«
Aber alles Bitten half nichts, und nach ein paar Minuten erfolgloser Anstrengung blieb Lyra einfach unter dem fließenden Wasser stehen und betrachtete, was sie getan hatte. Was sie beide getan hatten.
Das ist nicht möglich. Niemals.
Die Taubheit wich rasch einem unangenehmen Druck in der Brust, der immer stärker zu werden schien, bis es sich anfühlte, als müsse sie gleich ersticken.
Vor ihren Augen begann sich alles zu drehen, und sie wusste, sie würde ohnmächtig werden, wenn sie sich nicht hinsetzte und sich wieder in den Griff bekam. Sie lehnte sich gegen die Wand, drehte das Wasser ab, rutschte langsam auf den Boden der Dusche hinunter und schlang die Arme um ihre Beine.
Katzen. Um ihren Arm wanden sich Katzen. Katzen, die sich streckten, Katzen, die faul auf dem Rücken lümmelten, alle miteinander verbunden, indem jede den Schwanz der nächsten gepackt hielt. Niedlich, abgesehen von den entblößten Fängen einiger und den durchdringenden Blicken anderer. Das waren keine Hauskatzen. Das waren Katzen wie Jaden.
Jeder, der das sah, würde sofort wissen, was geschehen war.
»Oh nein«, stöhnte sie leise und schluckte die Tränen hinunter, die unbedingt fließen wollten. Sie weinte nicht. Niemals. Und
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