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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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geträufelt. Die Innenseiten von Nase, Kehle und Mundhöhle wurden vorsichtig eingepinselt, damit das Opfer nicht daran erstickte. Dann wurde der Holzrahmen aufgerichtet und über den Ameisenbau gestellt. Anschließend überließ man das Opfer seinem Schicksal.
    Innerhalb weniger Minuten machten sich die Ameisen über den Körper her. Der Gefolterte wurde gestochen, gebissen und allmählich von innen heraus aufgefressen. Es kam auch vor, dass er an den Insekten in Nase und Mund erstickte. Man vermutete, dass in den meisten Fällen die Panik und das Grauen zum Herzstillstand führten. Aber für die Tapferen war es ein langsamer, grausamer Tod.
    Madeleine schauderte. Sie blickte auf die dunkle Lichtung im Dschungel, die sie gerade geschaffen hatte. Lichtkegel erhellten den schlanken Körper auf der Leinwand, der fest auf den Rahmen gebunden war. Rippen und Hüftknochen waren deutlich zu erkennen. Die Körperhaltung erinnerte an eine Kreuzigung. Der Kopf war nach hinten gebogen, wodurch das Gesicht verborgen war, aber einige dunkle Strähnen ringelten sich um den Hals der Gestalt. Was hatte das zu bedeuten? War sie das Opfer? Hatte sie unterbewusst die Strafe für ihre Verbrechen gemalt oder einen Todeswunsch zum Ausdruck gebracht?
    Sie schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken abzuschütteln, quetschte fein säuberlich eine Reihe Farbtupfer auf ihre Palette und malte weiter.
    Sie malte die ganze Nacht hindurch. Obwohl sie erschöpft war, spürte sie einen Zwang weiterzumalen. Als es Morgen wurde, beschloss sie, ihren Patienten abzusagen. Sie hatte schon den Hörer in der Hand, um Sylvia anzurufen, da fiel ihr ein, dass Emilia Fredriksdottir um neun Uhr bei ihr einen Termin hatte. Emilia stammte aus Reykjavik und studierte in Bath. Ihr Bruder war verhaftet worden, weil man ihn verdächtigte, seine Freundin über eine Klippe gestoßen zu haben. Die Freundin war gleichzeitig Emilias beste Freundin gewesen und hatte ihr häufig von den Tobsuchtsanfällen erzählt, die ihr Bruder bekam, wenn ei betrunken war. Emilia hatte große Angst davor, dass ihr Gewissen sie zwingen würde, gegen ihren eigenen Bruder auszusagen, wenn sie nach Island zurückkehrte. Madeleine konnte sie unmöglich im Stich lassen, besonders da Emilia sich dafür entschieden hatte, sich von einer Therapeutin helfen zu lassen, statt nach Hause zu fahren und sich dort den entsetzlichen Ereignissen zu stellen. Madeleine hatte ihr ihre Hilfe nicht versagt, versuchte sie jedoch zu überzeugen, dass es langfristig besser für sie sei, nach Island heimzukehren und sich vor Ort direkt mit dem Trauma auseinanderzusetzen, weil sie es dadurch am schnellsten überwinden konnte. Aber Emilia war dazu nicht in der Lage. Ihre Welt war zerstört, was sollte sie daheim?
    Madeleine fand, dass Emilia sie brauchte. Die Situation der Studentin erforderte ihr Engagement. Sie duschte, kleidete sich an und machte sich auf den Weg in ihre Praxis.
    Sylvia saß vergnügt hinter ihrem Schreibtisch.
    »Guten Morgen, Sylvia.«
    Sylvia musterte sie. »Sie sehen entsetzlich aus.«
    »Danke, Sylvia.«
    »Ich habe hier einen Tee aus dem Gesundheitsladen. Der möbelt wunderbar auf. Er enthält sibirischen Ginseng, Salbei und …«
    »Nein, danke, Sylvia. Hat sich zufällig Rachel Locklear gemeldet, um einen neuen Termin auszumachen?«
    Sylvia runzelte die Stirn. »Sie fragen mich ständig nach ihr, aber die Antwort lautet nach wie vor nein. Warum rufen Sie Mrs Locklear nicht an, wenn Sie der Meinung sind, dass es wichtig ist?«
    Madeleine ging zu ihrem Sprechzimmer.
    »Warten Sie!«, rief Sylvia hinter ihr her. »Sie haben Post.«
    Madeleine kehrte um, nahm den gepolsterten Briefumschlag, den Sylvia ihr reichte, und eilte in ihr Zimmer. Sie warf Tasche und Jacke auf den Tisch und betrachtete den Brief. Ihr Name war falsch geschrieben, und die Schrift war merkwürdig ungelenk.
    Es war zehn vor neun. Sie stand auf, um sich auf ihre Patientin vorzubereiten. Ihre Jacke hängte sie an den Haken, den Umschlag schob sie in ihre Handtasche. Eine Sekunde später holte sie ihn jedoch wieder hervor. Er war klein und leicht und sah nach Privatpost aus. Sie riss ihn auf und schüttelte den Inhalt heraus. – Ein Pass! Neu wie frisch aus der Druckerpresse. Wieder warf sie einen Blick auf den Umschlag. Er war an Madelina Frank adressiert, aber die Postleitzahl fehlte. Sie war perplex. Beim Durchblättern des Passes stieß sie auf das Foto eines Jungen. Dunkles, lockiges Haar. Das kleine Gesicht sah ernst

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