Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
die Lippen. Sie hatte ihren Glauben doch nicht aufgegeben. Von jetzt an würde sie eine Santera sein. Der Talisman vieler Generationen ruhte auf ihrer Brust, und nach dem, was Mama ihr erzählt hatte, würde er ihr Kraft verleihen und sie vor den Mächten des Bösen schützen.
»Möchtest du es segnen, Mama?«, fragte Madeleine und hielt das Kruzifix an die Lippen ihrer Mutter. Rosaria murmelte einen Segen, dann ließ sie den Kopf zur Seite fallen, und ihre Arme entkrampften sich. Sie schien zu schlafen. Zumindest hatte die Starre nachgelassen.
Madeleine küsste ihre Mutter auf beide Wangen, strich ihr über das Haar und flüsterte liebevolle Worte, aber Rosaria war weit weg.
Madeleine stand auf und ging zum Altar. Dort lagen die Kultgegenstände ihrer Mutter, die Kaurimuscheln, die heiligen Steine und die Schale mit den Kräutern, die Madeleine per E-Mail in einer botanica in Key Largo bestellt hatte. Der vergoldete Hammer ruhte auf einem bestickten Deckchen (das Opfermesser war von Mrs Ollenbach konfisziert worden). Als sie den Hammer anhob, sah sie Edmunds Brosche. Sie war an seiner Unterseite befestigt.
Madeleine entfernte den Klebestreifen und hielt die Brosche eine Weile in der Hand, bevor sie sie in ihre Tasche gleiten ließ. Ihrer Handtasche entnahm sie eine Schachtel Streichhölzer und zündete die Kerze vor dem Bild Babalú Ayés an. Er war ein strenger Gott, eigentlich ein Gott für Männer. Vielleicht fand er keinen Gefallen an dem Flitterkram ihrer Mutter. Vielleicht mochte er keine Brosche auf seinem Altar.
»Pass auf meine Mutter auf, du Mistkerl«, sagte Madeleine leise. »Sie war dir ihr ganzes Leben treu ergeben.«
Zwei Stunden später klopfte Madeleine an Mrs Ollenbachs Bürotür.
»Herein«, tönte es aus dem Zimmer. Mrs Ollenbach saß hinter ihrem Schreibtisch und sah gestresst aus. Sie schob die Brille etwas tiefer, um Madeleine besser sehen zu können.
»Mrs Ollenbach, meiner Mutter geht es sehr viel besser«, begann Madeleine noch an der Tür. »Sie hat mit mir gesprochen. Sie ist klar im Kopf, hat Traubensaft getrunken und eine halbe zerdrückte Banane gegessen. Sie kann die Augen öffnen und schließen, und als ich sie eben verlassen habe, schlief sie tief und fest. Ich sehe keinen Grund, sie mit einem Krankenhausaufenthalt zu quälen.«
Mrs Ollenbach sah nicht gerade beglückt aus, als sie das hörte, aber Madeleine konnte unschwer ihre Gedanken lesen. Man musste die Tochter Neville Franks – auch wenn sie sich ewig einmischte – mit Geduld ertragen. Schließlich ging es um viel Geld. »Das ist aber schön.«
»Ich weiß, dass wir nicht Ihre einfachsten Klienten sind«, meinte Madeleine, wobei sie das falsche Lächeln erwiderte. »Aber ich danke Ihnen sehr, dass Sie meine Mutter so wunderbar pflegen.«
»Ach, Miss Frank«, rief Mrs Ollenbach, als Madeleine gerade die Tür hinter sich schließen wollte.
»Ja?«
»Dr. Jenkins erwähnte, Sie wollten mit dem … also mit Dr. Alvarez sprechen. Ich habe seine Frau angerufen. Sie sagt, er sei schwer erkrankt und nicht in der Verfassung für ein Gespräch.«
»Krank?« Madeleine runzelte die Stirn. Krank wovon, fragte sie sich, hütete sich aber, die Frage laut zu stellen. Mama hatte ihr erzählt, dass Alvarez sie zwingen wollte, ihm ihre Geheimnisse mitzuteilen. O Gott …
»Danke, dass Sie es versucht haben, Mrs Ollenbach. Ich komme heute Abend wieder.«
Madeleine eilte hinaus in die Sonne. Mamas Worte hallten noch in ihr nach.
Nimm das Kind und flieh.
17. Kapitel
W as kostet der Eintritt?«, fragte Rachel.
Die Frau wies auf das Schild, aber als Rachel zu lange brauchte, um die horrenden Preise zu lesen, rief sie: »Elf fünfundzwanzig für einen einzelnen Erwachsenen, sechs fünfzig für Kinder. Oder dreizehn achtundfünfzig, wenn Sie auch das Modemuseum besichtigen wollen.« Sie lehnte sich über die Theke und musterte Sascha skeptisch. »Kinder unter fünf sind frei.«
»In Ordnung«, murmelte Rachel. »Kein Modemuseum. Einmal eine Erwachsene und ein freies Kind.«
»Ich bin aber nicht fünf«, piepste Sascha. »Ich bin schon sieben.«
Rachel verdrehte die Augen. Die Frau sah sie verärgert an. »In diesem Fall macht es siebzehn fünfundsiebzig.«
Rachel bezahlte den Eintritt, packte Sascha am Arm und schob ihn zum Eingang.
»Manchmal ist es besser, wenn man den Mund hält, Sascha.«
»Aber es war gelogen, Mum.«
»Ja, ja, Junge. Es war gelogen.«
Am Eingang reichte man ihnen Audioführer. Einen für Erwachsene
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