Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
zurückkehren, obwohl Sie wissen, wie schädlich das für Sie ist … Wir können uns ansehen, worum es bei dieser Abhängigkeit geht. Und ich würde gern untersuchen, was Sie wirklich davon abhält, zur Polizei zu gehen. Sie müsste zumindest in der Lage sein, Sie zu beraten. Und wer weiß? Ein Kontaktverbot könnte ihn eventuell bremsen.«
»Ausgeschlossen.« Rachel schüttelte den Kopf.
Madeleine war sich ziemlich sicher, dass sie Rachel Locklear nie wiedersehen würde. Ihre Erwartungen an eine Therapie waren eindeutig nicht erfüllt worden. Sie würde nicht wiederkommen. Es schien sinnlos zu sein, noch irgendetwas zu sagen. Aber Rachel hielt eine Überraschung für sie bereit.
»Nächste Woche zur gleichen Zeit?«, fragte sie, ohne aufzuschauen.
»Ja … das wäre schön.«
»Ich werde mir Mühe geben und höflicher sein«, fuhr sie fort und klang dabei wirklich verzweifelt. »Was soll ich sonst machen? Meine Eltern sind tot, und ich kenne niemanden in Bath, niemanden, mit dem ich reden kann. Außerdem traue ich den Menschen nicht. Das habe ich noch nie.« Sie sah hoch und warf Madeleine einen ärgerlich prüfenden Blick zu. »Aber fangen Sie nicht noch mal von der Polizei an. Die kommt nicht in Frage. Ich will wegen Sascha mein Leben in Ordnung bringen, das ist alles. Ich will nicht, dass er so endet wie sein Vater, oder, wenn Sie wollen, wie ich. Ich will, dass mein Sohn ein normales, glückliches Leben führen kann. Das ist das Einzige, was mich interessiert. Alles andere ist unwichtig. Können Sie das verstehen?«
Eine plötzliche Traurigkeit überwältigte Madeleine, und sie konnte nicht sofort antworten. Rachels Erklärung hatte sie im tiefsten Inneren berührt. Wenn sie nur so empfunden hätte, wie anders hätte ihr Leben dann ausgesehen. Plötzlich spürte sie eine Welle des Mitgefühls mit dieser Frau in sich aufsteigen, und Bewunderung für ihren Wunsch durchzuhalten. Psychotherapie war der Luxus privilegierter Menschen, und Madeleine begegnete selten Leuten wie Rachel – außer vielleicht im Gefängnis. Wenn noch Zeit gewesen wäre, hätte sie Rachels Motivation thematisiert und versucht, sie dazu zu bringen, sich ihr eigenes Bedürfnis einzugestehen, von Anton loszukommen, und zuzugeben, das es hier nicht nur um ihren Sohn ging, sondern dass auch sie wichtig war. Aber im Moment war ihr kleiner Sohn der entscheidende Anreiz. Ohne ihn wäre Rachel Locklear sicher nicht gekommen.
Madeleine zog ihren Terminkalender hervor, und sie vereinbarten eine Sitzung in der folgenden Woche. Rachel drückte ihr ziemlich kräftig die Hand, als würde sie sich an den Hoffnungsfunken klammern, dass diese Frau ihr helfen würde, ihren kleinen Sohn vor einem Leben voller Brutalität zu bewahren.
Nach dem unablässigen Regen und der ungewöhnlichen Kälte am Wochenende lag zum ersten Mal ein unbestimmtes Gefühl von Frühling in der Luft.
John und Madeleine waren im Horse and Cart gelandet, einem abgelegenen Pub am Fluss bei Saltford. Der verwilderte Garten, der noch nicht für die beginnende Saison hergerichtet worden war, und die Landschaft waren in das warme Orange der untergehenden Sonne getaucht. Sie beschlossen, das erste Glas draußen zu trinken, auch wenn die Kiefernbänke feucht waren, auf den Tischen Moos wuchs und am Rand des Rasens verblichene Kartoffelchiptüten und Hundekot lagen.
»Hier«, sagte Madeleine zu lohn, als er mit zwei Glas Bier von der Bar zurückkam, »nimm die Hälfte davon.« Sie riss eine Zeitung durch, und sie setzten sich darauf und versuchten, es sich auf der wackeligen Bank bequem zu machen.
Leider hatte sich eine vierköpfige Familie ebenfalls fürs Freie entschieden. Die schrillen Stimmen der Kinder und ihre schreiend vorgebrachten Forderungen störten den Frieden des lauen Abends. Ein Frisbee streifte Madeleine an der Schulter. Stirnrunzelnd drehte sie sich zu der Schuldigen um, einem etwa siebenjährigen Mädchen, das sie daraufhin spöttisch angrinste.
»Wo war ich stehen geblieben?«, knüpfte sie an ihren Bericht an, den sie im Auto begonnen hatte.
»Du hast dich mit ihrer sexuellen Obsession auseinandergesetzt«, antwortete lohn.
»Ich verstehe wohl nicht, wieso eine Frau immer wieder zu einem Mann zurückkehren kann, der sie misshandelt und ausnutzt.«
John kicherte. »Offenbar hast du trotz deines bewegten Lebens so etwas nie erlebt.«
Sie zog die Brauen zusammen. »Einen Mann, der mich ausnutzt?«
»Nein, meine Liebe. Eine sexuelle Obsession.«
»He«, rief
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