Erdbeermond: Roman (German Edition)
die halbe Konkurrenz vernichtet, ohne dass sie etwas dazu tun mussten. Kurz bevor Ariella sich von ihrem Sessel erhob, um mich aus dem Raum zu jagen, sprach ich weiter.
»Nun, nicht ganz nichts.« Ich zwinkerte. Oder ich versuchte es zumindest, ich hatte seit längerer Zeit nicht mehr gezwinkert. »Ich stelle mir vor: eine Flüsterkampagne. Jedes Mal, wenn ich mich mit einer Beauty-Redakteurin zum Lunch treffe, mache ich Andeutungen, dass es demnächst ein neues Hautpflegemittel geben wird. Etwas, über das es noch keine genauen Informationen gibt. Und wenn sie nachhaken, verstumme ich sofort und sage, es sei ein Geheimnis, und bitte sie, kein Wort darüber zu verlieren … aber dass sie, wenn sie das Produkt erst einmal in der Hand halten, nicht schlecht staunen werden.«
Alle sahen mich aufmerksam an.
»Die Pflanzen und Wurzeln, aus denen Formel Zwölf gewonnen wird, sind sehr selten und können nicht synthetisch hergestellt werden. Ich schlage vor, ein Döschen – ein winziges Döschen – der Beauty-Redakteurin von, sagen wir, Harpers zu geben. Die einzige Beauty-Redakteurin in den Vereinigten Staaten, die das Produkt hat. Buchstäblich. Und ich verschicke es nicht. Ich schicke auch keinen Kurier damit los. Ich bringe es ihr persönlich. Nicht in ihr Büro, sondern an einen neutralen Ort. Fast so, als täten wir etwas Illegales.« Jetzt waren sie gebannt. »Sie bekommt das Döschen, wenn sie mir eine ganze Seite verspricht. Und wenn sie das nicht kann, gehe ich zu einer anderen Zeitschrift. Wahrscheinlich zu Vogue . Das Döschen sollte aus einem Schmuckstein gemacht sein, zum Beispiel Bernstein oder Turmalin. Ich stelle mir dieses winzig kleine Döschen vor, das in die Kuhle meiner Hand passt. Gewichtig, wenn Sie verstehen. Wie eine kleine Bombe einer super-potenten Substanz.«
Niemand sprach, aber Ariella hatte den Kopf in einer kaum sichtbaren Geste der Aufmerksamkeit zur Seite geneigt.
»Und es geht noch weiter«, sagte ich. »Passen Sie genau auf. Es werden – keine – Berühmtheiten – dafür gewonnen.«
Franklin wurde blass. Kontakte mit Berühmtheiten waren sein Leben.
»Niemand bekommt das Produkt umsonst. Wenn Madonna ein Döschen haben möchte, muss Madonna dafür bezahlen …«
»Also, nicht Madonna«, verwehrte sich Franklin.
»Auch Madonna.«
»Das ist doch verrückt«, murmelte er.
»Und keine Werbung«, sagte ich. »Formel Zwölf wird durch Mund-zu-Mund-Propaganda bekannt gemacht, sodass die Leute das Gefühl haben, ein großes Geheimnis miteinander zu teilen. Der Hype soll sich langsam aufbauen, und wenn es endlich in den Verkauf kommt – in einem Geschäft in den USA – vielleicht Barney’s oder Bergdorf – gibt es schon eine lange Warteliste. Eine Warteliste, um auf die Warteliste aufgenommen zu werden. Frauen werden vor dem Geschäft anstehen, bevor es aufmacht. Döschen mit Formel Zwölf werden auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Die Frauen werden verrückt danach sein, es wird so wie bei den Chloé-Taschen sein, nur um ein Vielfaches verstärkt. Der absolute Geheimtipp in New York. Und das heißt, der absolute Geheimtipp in der ganzen Welt. Mit Geld nicht zu erwerben. Durch Kontakte nicht zu bekommen. Jede muss warten, bis sie an die Reihe kommt – und sie alle werden warten, weil es sich lohnt, darauf zu warten.«
Aber vielleicht würden sie auch denken: »Die können mich mal, da mach ich nicht mit, ich hole mir ein neues Tiegelchen La Prairie.« Das Risiko bestand. Es gab keine Garantie, dass sich die New Yorkerinnen zu dieser Ekstase hinreißen lassen würden. Wenn sie das Gefühl hatten, manipuliert zu werden, würden sie sich einfach abwenden. Doch dies war nicht der Moment, darüber zu sprechen.
»Nach neun Monaten machen wir das noch einmal mit dem Serum, und nach weiteren sechs Monaten mit der Grundierung. Dann haben wir noch die Augencreme, den Lippenbalsam, die Körperlotion, das Duschgel und die Peeling-Creme.«
Wieder nickte Ariella fast unmerklich. Das war, als wenn ein anderer auf den Tisch springen und begeistert rufen würde: »Weiter so, Anna!«
»Aber ich bin noch nicht fertig«, sagte ich und bemühte mich um einen sachlichen Ton.
Aha?
»Ich habe noch eine Zugabe.« Ich machte eine Pause, ließ sie warten und zeigte dann auf meine Narbe. »Es ist Ihnen vielleicht schon aufgefallen, dass ich die glückliche Besitzerin einer schlimmen Narbe bin.«
Ich erlaubte ihnen ein kleines verlegenes Kichern.
»In den zwei Wochen, seit ich Formel Zwölf benutzt
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