Erdbeermond: Roman (German Edition)

Aidan das?
    Aidan, wenn es dir etwas ausmacht, dann gib mir einen Hinweis, und ich treffe mich nie wieder mit ihm. Irgendein Zeichen. Irgendeins. Okay, um es dir leichter zu machen – ich gehe jetzt weiter diese Straße entlang, und wenn du sauer bist wegen Mitch, dann … dann … lass doch vor mir einen Blumentopf von einer Fensterbank runterfallen. Mir wäre es lieber, wenn er mich nicht treffen würde, aber wenn du es möchtest …
    Ich ging immer weiter, nichts passierte, und ich überlegte mir, ob ich zu genaue Angaben gemacht hatte. Vielleicht hätte ich nicht Blumentopf sagen sollen. Vielleicht hätte ich nur »etwas« sagen sollen. Lass »etwas« vor mir runterfallen. Meinetwegen. Irgendwas. Nicht nur einen Blumentopf.
    Doch nichts landete auf mir oder neben mir, und mir war heiß, und ich war müde, und am Ende hielt ich ein Taxi an. Der Fahrer war ein junger Inder, er telefonierte mit seinem Handy. Ich gab ihm meine Adresse und ließ mich auf die Rückbank fallen, und plötzlich hörte ich ihn sagen: »Sie sind ein schmutziger, böser Mann, und ich werde Sie bestrafen.«
    Es war der Fahrer, der in sein Telefon sprach. Ich richtete mich auf: Das wollte ich hören.
    »Ziehen Sie sich die Hose runter, Sie böser, böser Mann. Ich werde Sie bestrafen!«
    »Entschuldigen Sie bitte, aber mit wem sprechen Sie da?«
    Er drehte sich rasch um, legte einen Finger an die Lippen, sodass er keine Hand mehr am Steuerrad hatte, und fuhr fort. »Ich werde Sie schlagen, weil Sie so böse waren. Ja, ich werde Sie schlagen, Sie böser, böser Mann. Mit einem Stock auf den Hintern. Mit einem Stock auf den Hintern. Weil Sie so böse sind, so böse!«
    Oh Aidan, du hast mir ja doch ein Zeichen geschickt. Ein Fahrer, der neun Punkte von zehn bekommt! Du bist also nicht sauer wegen Mitch!
    »Doll. Ich werde Sie ganz doll schlagen. Beugen Sie sich vor, dann zähle ich die Schläge. Eins! Zwei! Drei! Vier! Fünf! SECHS!«
    Der sechste Schlag schien den Höhepunkt herbeizuführen: Aus dem Telefon erklang ein Aufschrei, dann war alles ruhig, bis der Fahrer sagte: »Vielen Dank, Sir. Ganz meinerseits, Sir. Rufen Sie ruhig wieder an.«
    Er schaltete aus, und da ich vor Neugier platzte, fragte ich ihn: »Was war das denn?«
    »Ich bin Sex-Arbeiter.« Das sagte er mit einigem Stolz.
    »Wirklich?«
    »Ja. Männer bezahlen mich dafür, dass ich sie beschimpfe. Aber ich muss auch Taxi fahren. Ich habe eine große Familie im Punjab. Ich schicke …« Er wurde vom Läuten des Telefons unterbrochen. Er prüfte die Nummer und sagte etwas ermattet: »Guten Tag, mein lieber Meister Thomas. Was haben Sie gemacht? Sind Sie böse gewesen? Wie böse?«

    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Thema: Die Frau und ihr Hund

    Liebe Anna, sie hat noch einen »draufgesetzt«. (Der Ausdruck ist mir nicht ganz klar. Soll er vulgär sein? Sag mir doch Bescheid, denn wenn er vulgär ist, werde ich ihn beim Bridge nicht benutzen. Dann sage ich einfach: Sie hat »den Einsatz erhöht«.) Wieder groß.
    Helen ist reingetreten, als sie nach Hause kam, noch ganz »aufgegeilt« (schreckliches Wort) von ihrer Nacht mit diesem Colin, und ist ausgerastet. Sie stand am Tor und hat geschimpft und gezetert. »Kommt mit«, sagte sie dann, »wir fahren hin zu der alten Hexe.«
    Wir setzten uns auf der Stelle ins Auto und fuhren hin. Ich drückte auf die Klingel, und Zoe fing an zu bellen. Dann hörte sie plötzlich auf. Die alte Frau muss uns durch den Spion entdeckt haben und tat so, als wäre sie nicht da. Mir tut Zoe Leid. Eingesperrt und geknebelt. Vielleicht mit einer Socke oder einem »Piratentuch«. Sie könnte ersticken. Helen schrie durch den Briefkastenschlitz: »Wir kommen wieder, Sie alte Hexe. Ich bin einer der angesehensten Privatdetektive in Irland!« In Irland, wirklich! Ich habe nichts gesagt, aber die Nacht mit Colin ist ihr anscheinend zu Kopf gestiegen.
    Deine dich liebende Mutter
    Mum

VIERUNDVIERZIG
    Joey verliebt – das musste man gesehen haben. Ein Essen war anberaumt worden aus dem einzigen Grund: weil jeder die ungewöhnliche Kombination von Jacqui und Joey zu Gesicht bekommen wollte.
    Es ging nicht nur um die üblichen Verdächtigen wie Rachel, Luke, mich, Shake und so weiter, sondern auch um eine ganze Ansammlung von Echten Männern aus der zweiten Reihe, die Joey schätzten. Ganz abgesehen von Leon und Dana, Nell und Nells seltsamer Freundin und ein paar Kollegen von Jacqui. Sogar zwei meiner Kolleginnen wollten kommen: