Erdbeermond: Roman (German Edition)
Füße auf einem polierten Tisch, und ich stand vor der Tür. Wie alle hielten das Skript in der Hand. Ich las es schnell durch, es hatte sich seit dem letzten Mal, als ich es gelesen hatte, nicht verändert.
1. SZENE: Kleine, stolze Privatdetektei in Dublin. Zwei Frauen, eine jung und schön (ich). Die andere alt (Mum). Junge Frau, Füße auf dem Schreibtisch. Alte Frau, Füße nicht auf dem Schreibtisch, wegen Arthritis in den Knien. Ruhiger Tag. Nicht viel los. Langweilig. Uhr tickt. Auto parkt draußen. Mann kommt herein. Gut aussehend. Große Füße.
Ich: Was kann ich für Sie tun?
Mann: Ich suche nach einer Frau.
Ich: Das hier ist keine Frauenvermittlung.
Mann: Nein, ich meine, ich suche meine Freundin. Sie ist verschwunden.
Ich: Haben Sie denn schon mit den Männern in Blau gesprochen?
Mann: Ja, aber die treten erst in Aktion, wenn sie vierundzwanzig Stunden weg ist. Außerdem denken sie, dass wir uns einfach gestritten haben.
Ich (nehme die Füße vom Schreibtisch, kneife die Augen zusammen, beuge mich vor): Und? Haben Sie sich gestritten?
Mann (peinlichst berührt): Ja.
Ich: Worüber? Über einen anderen Mann? Jemanden, mit dem sie arbeitet?
Mann (immer noch peinlichst berührt): Ja.
Ich: Ist sie in letzter Zeit oft lange im Büro geblieben? Verbringt sie zu viel Zeit mit ihrem Kollegen?
Mann: Ja.
Ich: Das sieht nicht gut für Sie aus, aber es ist Ihre Kohle. Wir können versuchen, sie zu finden. Geben Sie der alten Frau da die genauen Details.
»Du musst gelangweilt gucken«, sagte Helen zu Mum.
Aber Mum sah bekümmert aus. Sie hatte nämlich gemerkt, dass sie keinen Text hatte.
»Und – los!«, rief Helen.
Ich humpelte herein, und Helen sagte: »Was kann ich für Sie tun?«
Ich guckte auf das Blatt. »Ich suche nach einer Frau.«
Helen sagte: »Das hier ist keine Frauenvermittlung.«
»Könnte ich diesen Satz nicht sagen?«, fragte Mum.
»Nein. Mach weiter, Anna.«
»Nein, ich meine, ich suche meine Freundin. Sie ist verschwunden.«
»Haben Sie denn schon mit den Männern in Blau gesprochen?«, fragte Helen.
»Oder diesen Satz«, fuhr Mum dazwischen. »Den könnte ich doch sagen.«
»Nein.«
»Ja, aber die treten erst in Aktion, wenn sie vierundzwanzig Stunden weg ist. Außerdem denken sie, dass wir uns einfach gestritten haben.«
Helen knurrte: »Und? Haben Sie sich gestritten?«
Ich ließ den Kopf hängen. »Ja.«
»Worüber?«, brüllte Helen. »Über einen anderen Mann? Jemanden, mit dem sie arbeitet?«
»Ja.«
»Ist sie in letzter Zeit oft lange im Büro geblieben? Verbringt sie zu viel Zeit mit ihrem Kollegen?«
»Könnte ich das nicht sagen?«, bettelte Mum.
»Sei STILL.«
»Ja.«
»Das sieht nicht gut für Sie aus«, höhnte Helen, »aber es ist Ihre Kohle. Wir können versuchen, sie zu finden. Geben Sie der alten Frau da die genauen Details. Und, nein!«, schnauzte sie Mum an, »das kannst du bestimmt nicht sagen, denn du BIST die alte Frau!«
»Nun kommen Sie schon«, sagte Mum zu mir, »geben Sie mir die Details.«
»Das müssen wir ja nicht sehen«, sagte Helen. »Jetzt machen wir die zweite Szene.«
Die zweite Szene war um einiges kürzer. Das ist der Text.
2. SZENE: Wohnung der Verschwundenen. Die schöne junge Frau und die alte Frau durchsuchen die Wohnung.
Im Flur drehten sich Mum und Helen mit aneinander gelegten Zeige- und Mittelfinger, was Pistolen darstellen sollte, leicht eingeknickten Knien und rausgestreckten Hintern, in der vorgestellten Wohnung um die eigene Achse. »Hände hoch!«, brüllte Mum und versetzte der Küchentür einen mächtigen Tritt. Die Tür flog mit aller Wucht auf und prallte an ein Objekt, das sich als Dad herausstellte. »Mein Ellbogen!«, jammerte er, als er hinter der Tür hervorkam, seinen Arm hielt und sich vor Schmerz krümmte. »Was sollte das?«
»Genau«, sagte Helen zu Mum. »Du sprichst in der Szene gar nicht.«
»Ich habe überhaupt keinen Text. Ich will ›Hände hoch‹ sagen«, entgegnete Mum. »Und deswegen sage ich ›Hände hoch!‹«
ZWÖLF
Als Rachel am Samstagmorgen ankam, sagte Mum als Erstes zu ihr: »Du musst strahlend aussehen, Gott im Himmel. Claire kommt und will dich davon abhalten, zu heiraten.«
»Wirklich?« Rachel fand das lustig. »Das glaube ich nicht. Das hat sie bei dir auch gemacht, Anna, oder?« Dann, als ihr bewusst wurde, dass sie ins Fettnäpfchen getreten war, zuckte sie zusammen, als hätte ihr jemand einen Schürhaken in den Hintern gerammt. Sie wechselte schnell das
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