Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
erwiderte ihren Blick. »Er ist keiner von den Federstreichlern.«
    »Das entscheide ich.«
    Jacqui unterzieht alle Männer ihrem schrecklich grausamen Federstreicheltest. Er entstand vor einigen Jahren auf der Basis einer Affäre, die sie hatte. Die ganze Nacht war der Typ mit seinen Händen über ihren Körper gefahren, ganz leicht und sanft, wie eine Feder, den Rücken rauf und runter, über ihre Oberschenkel, über ihren Bauch, und bevor er in sie eindrang, fragte er sie, ob sie es wirklich wollte. Vielen Frauen hätte das sehr gut gefallen: Er war zärtlich und aufmerksam und voller Respekt. Aber bei Jacqui erstarb alles. Sie hätte es lieber gehabt, wenn er sie auf einen harten Tisch geworfen, ihr die Kleider vom Leib gerissen und sie gevögelt hätte, ohne erst um ihre ausdrückliche Erlaubnis zu bitten. »Er hat mich die ganze Zeit gestreichelt«, sagte sie hinterher und schüttelte sich vor Widerwillen. »Mit diesen schrecklichen Federstrichen, als hätte er irgendwo gelesen, wie man Frauen das gibt, was sie wollen. Entsetzlich, dieser Federstreichler, ich wollte mir die Haut abreißen.«
    Und so entstand der Ausdruck. Er wies auf eine weibische Qualität hin, die dem Mann jeden Sexappeal absprach. Es war eine vernichtende Charakterisierung, und Jacquis Meinung nach war es besser, ein betrunkener Frauenmisshandler in schmutzigem Unterhemd zu sein als ein Federstreichler.
    Ihre Kriterien waren vielfältig und gnadenlos – und völlig willkürlich. Sie hatte keine feste Liste, aber hier sind ein paar Beispiele für Federstreichler: Männer, die kein rotes Fleisch aßen. Männer, die sich nach dem Rasieren mit milder Lotion einrieben, statt sich brennendes Aftershave auf die Wangen zu klatschen. Männer, die Handtaschen und Schuhe einer Frau bemerkten. (Oder sie waren Jolly Boys.) Männer, die erklärten, Pornografie sei Ausbeutung von Frauen. (Oder sie waren Lügner.) Männer, die sagten, Pornografie sei Ausbeutung von Frauen und ebenso von Männern, fielen ganz durch. Alle heterosexuellen Männer in San Francisco waren Federstreichler. Ebenso alle bärtigen Akademiker. Männer, die mit ehemaligen Freundinnen eine Freundschaft erhielten. Besonders, wenn sie ihre ehemaligen Freundinnen »Ex-Partnerinnen« nannten. Männer, die Pilates machten. Männer, die sagten: »Ich muss mich jetzt erst mal um mich selbst kümmern«, waren himmelschreiende Federstreichler. (Damit war sogar ich einverstanden.)
    Zu den Federstreichlerregeln gab es komplexe Variationen und Unterregeln: Männer, die in der Subway ihren Platz frei machten, waren es – wenn sie dabei lächelten. Aber wenn sie knurrten: »Bitte«, und einem nicht in die Augen sahen, waren sie noch mal davongekommen.
    Natürlich wurden die ganze Zeit neue Kategorien und Untergruppen geschaffen. Einmal fand sie, dass ein Mann, der bis zu dem Zeitpunkt völlig akzeptabel war, doch ein Federstreichler war, weil er das Wort »Lebensmittelladen« in der Mitte betonte, also »Lebens mittel laden« gesagt hatte. Und manche ihrer Regeln waren schlichtweg unfair, denn Männer, die einer Frau halfen, etwas Verlorenes zu suchen, waren Federstreichler, wo doch nur die absoluten Federstreichlerpuristen abstreiten konnten, dass es eine äußerst gute Eigenschaft war.
    (Interessanterweise vermute ich, dass »ihr« geliebter Luke auch ein Federstreichler war. Luke sah zwar nicht wie einer aus, er sah hart und männlich aus. Aber trotz seiner Lederhosen und seines starken Kiefers war er freundlich und hilfsbereit – sogar einfühlsam. Und Einfühlsamkeit ist die zentrale Eigenschaft des FS, seine entscheidende Essenz.)
    Erst als mir klar wurde, wie sehr ich nicht wollte, dass Jacqui Aidan als Federstreichler ablehnte, wurde mir auch klar, wie sehr ich ihn mochte. Nicht dass Jacquis Meinungen Einfluss auf mich hatten, aber es erschwert die Dinge, wenn deine Freundin deinen Freund verachtet. Natürlich war Aidan nicht mein Freund …
    Mein letzter richtiger Freund, Sam, war ein guter Kerl, aber eines schrecklichen Abends wurde er zum Federstreichler erklärt, weil er fettarmen Erdbeer-Käsekuchen-Joghurt gegessen hatte, und obwohl es nichts mit dem Ende unserer Freundschaft zu tun hatte – unsere Beziehung war nicht für die Dauer geschaffen –, machte es das Leben etwas holprig.
    Nie hatte ich erlebt, dass ein Federstreichler wieder aus dieser Kategorie herausgekommen wäre: einmal Federstreichler, immer Federstreichler. Jacqui war wie ein römischer Kaiser, sie hielt die

Weitere Kostenlose Bücher