Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
wird alles gut.
Hartmut hat noch eine SMS geschrieben: C. hat deine letzte Mail vor dem Abflug noch gelesen. Sorry. Aber mach dir keine Sorgen. Sie ist C., oder? An den letzten Worten halte ich mich fest. Hartmut hat recht. Sie ist Caterina. Und ich bin ich. Alles wird gut.
Das Fenster des Frauenzimmers zeigt zur Nordseite. Man kann von hier aus auf das Wohnheimparkhaus sehen. Der arabische Pop dreht Spiralen aus Klang. Nestor kostet eine Olive. Ich kann nichts essen, keinen Bissen. Auf dem obersten Deck des Wohnheimparkhauses erscheint ein schwarzer Landrover. So ein Schlachtschiff habe ich hier noch nie gesehen. Die studentischen Puntos und Polos, die sonst dort unten stehen, könnte man als Rettungsboote links und rechts daran anknoten. Es ist dunkel, 22.30 Uhr. Nur schwacher gelber Laternenschein erhellt das Deck. Ich kneife die Augen zusammen, um die Personen zu erkennen, die aus dem Schlachtschiff steigen.
»Sie sind es!«, krächzt meine Stimme schneller, als mein Kopf es begreift. »Nestor, sie sind es!«
Ein großer Mann steigt aus dem Wagen und sieht sich um, als frage er sich, wo zum Teufel er hier gelandet ist. Dann Hartmut, ohne Koteletten, das fällt mir auf, weil sie sich sonst im Laternenlicht abzeichnen wie alte Dornenbüsche. Die hinteren Türen gehen auf. Die junge Flüchtlingsfrau, die aussieht wie eine schroffe Version von Amélie in Blond und … Caterina!
Da ist sie, nur noch hundert Meter Luftlinie zwischen uns.
»Er hat sich rasiert«, sage ich, weil ich vor lauter Aufregung etwas sagen muss. »Hartmut hat sich rasiert.« Dann wirbele ich herum. »Gut«, sage ich, »alles bereit?«
»Alles bereit!«, sagt Nestor.
Mein Telefon klingelt. Ich schreie auf. Nestor schmunzelt. Ich hebe ab. Hartmut ist dran: »Die Zimmernummer!«
»Was? Wie? Ach so. 715. An der Tür oben im Flur steht Igor Kranjic , nicht wundern. Aber wir stehen sowieso im Flur!« Mein Gott, bin ich nervös. Tausend Tassen Kaffee und die Hormone Hunderter verwirrter Teenager. Einen Augenblick später klingelt es. Nestor drückt auf. Er startet die Playliste von vorn, und wir stellen uns auf dem Flur vor der Tür zurecht. Jeder von uns hält einen kleinen Teller mit Vorspeisen in der Hand. Dazu hängt uns ein Kellnertuch über dem Unterarm. Elissa singt ihren Wüstensand-Hit, als sich die Glastür am Flurende öffnet. Da sind sie. Caterina und die Flüchtige ganz vorn, dahinter Hartmut und der große Begleiter. Er liest hochinteressiert die Türschilder mit den falschen Namen, als sei es möglich, dass er hier jemanden kennt.
Gleich wird alles gut.
Nestor und ich haben uns große Mühe gegeben. Wir haben ein Frauenzimmer mit Büfett und Musik. Wir spielen Kellner. So etwas führt immer dazu, dass der Hebel durch die Frau wieder auf »okay« gestellt wird. Wenn meine Mutter früher sauer auf mich war, habe ich im Hochhaus selber Brot gebacken. Ich legte ihren geliebten Chris de Burgh auf, wenn sie von der Arbeit wiederkam, trug eine Schürze und lächelt sie an im Ofenduft. Sie lächelte, ganz weich, und legte den Hebel wieder um.
»As salam aleikum!«, sagen Nestor und ich einstudiert und grinsend, als die Frauen uns erreichen. Die Oliven auf den Tellern glitzern. Drinnen singt Elissa. Caterina und die junge Tunesierin sehen uns mit winzig kleinen Augen an. Sie nehmen nichts von den Tellern. Die Tunesierin rümpft die Nase. Mein Herz stemmt sich in meinem Hals dagegen, einfach aus dem Rachen geschleudert zu werden.
Ich sage, eine Butlerstimme nachahmend: »Eine kleine Vorspeise für reisende Heldinnen. Drinnen finden Sie das ganze Büfett.«
Die Tunesierin betritt das Appartement, ignoriert die leckeren Speisen und öffnet die Badbox. »Oh, wie herrlich«, sagt sie, »ein sauberes Klo!«
Caterina steht vor mir und sieht mich an. Ich kann nicht sagen, wo der Hebel steht. Ich glaube, sie ist gar nicht im Hebelraum.
»Miu …«, flüstere ich über den Vorspeisenteller, »Miu Miu?«
Im Appartement geht die Klospülung. Die Tunesierin verlässt das Bad. »Dieser Fisch …«, sagt sie, und es klingt nicht begeistert.
»Probieren Sie, Madame!«, versuche ich es nun mit gespieltem französischen Akzent, aber ich kriege kein Lächeln in Caterinas Gesicht. Nestor steht wie bestellt und nicht abgeholt neben mir. Caterina hebt den Arm und legt ganz kurz die Hand auf meine Wange. Ich neige den Kopf und presse ihn dagegen, damit ich mehr von ihr spüre, doch sie nimmt sie bereits wieder weg. Es fühlte sich seltsam an.
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