Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Nicht wie bei der Freundin. Eher wie bei einer Krankenschwester, die den nötigsten Trost spendet, weil es ihre Pflicht ist.
»Wir sind unendlich müde«, sagt Caterina. »Ist das unser Zimmer?«
Ich verstehe nicht so richtig, deute auf die Tunesierin, die sich drinnen aufs Bett gesetzt hat und antworte: »Das ist ihr Zimmer, ja.«
Caterina geht hinein. Einfach so. Ohne weitere Worte. Nestor folgt ihr und beginnt drinnen, um die Frauen herumzuflattern und ihnen die Speisen anzupreisen.
Hartmut erreicht mich und bleibt vor mir stehen. Der große Begleiter ist auf den Querflur abgebogen und liest restlos alle Namensschilder. Hartmut hat tiefe, schwarze Augenringe. Er schüttelt langsam den Kopf, als könne er nicht fassen, dass es mich noch gibt, und umarmt mich wortlos. Er drückt dreimal kräftig zu und presst fast die gesamte Luft aus mir heraus, während ich mit ausgestrecktem Arm den Teller balanciere. Hartmut lässt los, wirft einen schnellen Blick durch die Tür und zischt: »Ich habe doch gesagt: keine Fremden.«
»Er ist ein Freund«, entgegne ich. »So wie deiner da. Ich darf doch wohl auch einen neuen Freund haben.«
»Meiner hat mir quasi das Leben gerettet.«
»Ich habe meinen davon abgehalten, hier vom Dach zu springen. Nicht nur quasi.«
»Wirklich? Wie heißt er?«
»Nestor.«
»Meiner heißt Khaled.«
Mir kommt eine Idee. Ich frage Hartmut wie früher, als wir uns kennenlernten und auf der Stufenfahrt die ganze Nacht Science-Fiction-Rollenspiele spielten: »Was hat deiner für Spezialfähigkeiten?«
Hartmut sagt: »Kennt alle Menschen. Kann hundert Sprachen. Fährt super Jeep. Ist immun gegen Schärfe. Und deiner?«
»Schreibt hundert Rezis in drei Tagen und hat einen der drei letzten Schlüssel für die Balkone der RUB.«
»Ist nicht wahr!«
Wir lachen. Wir sind wieder bei uns. So einfach ist das unter Männern. Im Frauenzimmer geht die Musik aus. Die Tunesierin selbst hat sie abgeschaltet.
»Was ist los?«, frage ich, als ich reingehe.
»Sorry, aber das Gedudel geht mir auf die Nerven.«
»Aber das ist doch …«
»Meine Heimatmusik? Das stimmt, mal abgesehen davon, dass ich in Deutschland aufgewachsen bin. Aber hört ihr den ganzen Tag eure Heimatmusik?«
Caterina sagt: »Die Lavendelfarben sind angenehm, aber das Zimmer ist komplett ausgestopft mit Fischgeruch! Hier sollen wir schlafen?«
»Wieso denn immer wir ?«, platzt es aus mir heraus.
»Wo ist Yannick?«, mischt Hartmut sich ein.
»Oben, bei mir.«
»Das ist gar nicht dein Zimmer?«
»Natürlich nicht. Das ist das Zimmer, das ich extra für …« – ich schaue die junge Frau an, und sie sagt mir ihren Namen – »Juliette hergerichtet habe. Ich dachte, wir gehen dann später zu mir und …«
Caterina unterbricht mich: »Aha. Ich schlafe also mit drei Männern in einem winzigen Raum, und die arme Juliette verbringt ihre erste Nacht nach der Flucht alleine in einem Wohnheim voller Fremder?« Caterina schlägt das Bett auf. Es ist kein Standardbett mit 80-Zentimeter-Matratze wie sonst hier, sondern Kingsize. Juliette kriecht hinein wie ein kleines Mädchen, das längst schlafen müsste. Caterina räumt die Fleischschüsseln in den Kühlschrank und drückt mir die Fischplatte in die Hand. »Bitte nimm sie mit nach oben. Wir reden morgen, ja?«
»Aber …«
»Ist okay«, sagt Hartmut, »du warst nicht dabei. Wir sind wirklich vollkommen am Ende nach den letzten zwei Tagen.«
Ja, genau. Ich war nicht dabei.
Scheiße.
Wir Männer verlassen das Zimmer. Der große Khaled ist fertig mit dem Lesen der Namen, schlendert zu uns und sagt: »Oh. Fisch.« Er packt einen der Bratfische am Schwanz und verspeist ihn bis auf den Kopf am Stück. Gut, dass Nestor sie sorgsam entgrätet hat. Die Frauen löschen das Licht. Caterina steht an der Tür.
»Aber …«, sage ich erneut, und meine Stimme rutscht gegen meinen Willen in die Höhe.
»Morgen …«, sagt sie und schiebt die Tür zu.
Ich sinke in den langen Hänger.
Khaled nimmt mir die Fischplatte aus den Händen und fragt: »Wo nun lang?«
Nestor zeigt ihm den Weg.
> Ich
< Susanne
Der Kiwi
26.–27. 03. 2011
41° 20′ 34.46″ S, 174° 45′ 33.36″ E
Als die Abschieds-Hongis längst ausgetauscht sind und wir gerade weiterfahren wollen, kommt die ältere Māori-Dame noch mal zum Auto und gibt mir einen kleinen grünen Anhänger. Sie lächelt, geht weg, und ehe ich mich richtig bedanken kann, winkt sie mir schon von weitem zu.
»Das ist ein Hei-Tiki aus
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