Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Lösungsmöglichkeiten ab und wählt meistens die sinnvollste. Gut. Im schlimmsten Fall kann sie abhauen, über den Hinterhof, so wie ich. Irmtraut wird sie mitnehmen. Darauf kann ich mich verlassen. Udo wird nicht von ihrer Seite weichen. Auch da bin ich mir sicher. Ich bleibe auf halber Strecke stehen und kann vorsichtig atmen, ohne dass sich mir der Magen umdreht. Ich nehme mein Telefon und wähle die Nummer vom »Kölsche Klüngel«. Die Baumwipfel neigen sich etwas zur Seite, damit das Signal ungehindert durchkann. Das Telefon klingelt.
Es geht niemand dran.
Ich versuche es in der Wohnung. Der Anrufbeantworter.
»Mama? Mama, wenn du mich hören kannst, dann nimm Irmtraut und verschwinde durch den Garten, hörst du? Die Neusser Straße ist voll mit Randalierern. Ich habe Angst um euch! Bitte, bitte nimm Irmtraut und deine Freunde und verschwindet durch den Garten. Bitte, Mama!!!«
Ich versuche es noch mal im »Kölsche Klüngel« und dann auf dem Handy. Ich weiß, dass meine Mutter ihr Handy nur selten bei sich trägt, aber vielleicht ja heute. Nein, leider nicht. Ich hinterlasse auf der Mailbox auch eine Nachricht. Ich glaube nicht, dass meine Mutter weiß, wie man sie abhört.
Die Panik schwillt wieder an, fast wie mein Hals, wenn ich Haselnüsse esse. Vor mir bewegt sich etwas im Unterholz. Fünfzehn Zentimeter über dem Boden schwebt eine flauschige bräunliche Kugel. Ein längeres Stück mit pelziger Verdickung am äußeren Ende und einem überlangen, leicht krummen, sehr schmalen Schnabel streckt sich daraus hervor und stößt einen langen schrillen Pfiff aus. Meine Ohren klappen nach hinten wie die von Yannick. Hoffentlich gibt das keinen Tinnitus.
Unter dem schrillen kugeligen Plüsch befinden sich dicke Beine, die ich erst für Äste gehalten habe. Die Kugel schwebt also nicht. Wäre auch ungewöhnlich, denn Kiwis können nicht fliegen und somit auch nicht schweben.
Ist der niedlich. Und laut.
Der Kiwi sieht mir direkt in die Augen und nimmt den Hals wieder hoch.
»Nein! Nicht noch mal pfeifen!«
Der Kiwi nimmt den Kopf wieder runter und legt ihn leicht schräg.
Mein Handy vibriert. Eine SMS von GMX. Sie besagt, dass ich eine Mail von Hartmut habe. Eine Mail von Hartmut!!!!
Als ich sie öffne, zittere ich mehr als vorhin.
Meine Augen laufen über. Ich sinke in die Hocke und weine, völlig lautlos. Das Handy liegt in meiner Hand, doch ich kann nichts mehr darauf lesen. Ich sehe gar nichts mehr. Ich spüre aber, dass die flauschige Kugel noch da ist. Sie beobachtet mich.
Von oben hüllt mich ein leises »Buh-buk« ein.
Die Bäume rauschen wie das Blut in meinen Ohren.
Ich bleibe lange so hocken. Ich setze mich nicht richtig hin, ich stehe nicht auf. Es ist unbequem, aber ich kann mich nicht bewegen.
Erst als meine Augen nicht mehr tropfen, öffne ich meine Lider und sehe dem Kiwi direkt in seine glänzenden Knöpfchen. Er hat sich nicht von der Stelle bewegt, sich aber ebenfalls hingekauert.
»Buh-buk«, kommt es wieder leise von oben.
»Habt ihr auf mich aufgepasst? Danke. So einen merkwürdigen Menschen habt ihr noch nie gesehen, nicht wahr?« Langsam richtet sich mein Körper auf.
Der Kiwi bleibt auf dem Boden hocken, der Kauz kniept mir mit seinen gelben Augen von einem Ast über mir zu.
Ich seufze leise.
»Ich wollte noch bleiben, aber ich muss nach Hause.«
»Es tut mir leid, aber es geht nicht anders.«
Hu sitzt auf ihrem Bett und weint.
»Was würdest du denn machen, wenn Liam dir so was schreibt?«
»Ich würde zurückschreiben, dass das ja alles okay wäre, aber ich gerade nicht könnte.« Hu zieht die Nase hoch. Jetzt ist sie wieder ganz Kind.
»Würdest du das wirklich?«
»Ja, er hat doch alles im Griff. Der kann ruhig noch ein bisschen auf dich warten. Außerdem hat er Strafe doch wohl verdient.«
»Und was ist mit meinen Freunden? Die brauchen jede Hilfe.«
»Hm.«
»Du hast einen Plan ausgearbeitet über einen 2000-km-Ausflug. Für eine Frau, die du kaum kennst, Hu. Ich bin mir sicher, für deine Freunde, die du schon dein Leben lang kennst, würdest du alles machen!«
»Vielleicht.«
»Meine Mutter braucht auch Hilfe. Die Bilder im Netz waren furchtbar. Ich habe Angst um sie.«
»Für meine Mama würde ich auch sofort zurückreisen. Kommst du denn noch mal wieder?«
»Ich verspreche dir, ich komme wieder. Und wenn du dann noch Lust hast, machen wir deine Rundreise.«
»Wirklich versprochen?«
»Ja, definitiv! Ich werde alles in meiner Macht Stehende
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