Erebos
des Lichts.
Manche sagen, zum Siegen muss man geboren sein. Je länger ich darüber nachdenke, desto eher bin ich geneigt zuzustimmen. Die Enttäuschung darüber, nicht zu diesen Auserwählten zu gehören, habe ich längst hinter mir gelassen, dennoch fühle ich mich einer weiteren Niederlage nicht gewachsen. Sollte ich zum Schluss triumphieren, werde ich nicht dabei sein. Das ist wohlüberlegt. Meine Anwesenheit im Finale ist nicht erforderlich, die Akteure werden andere sein. Sie werden mit all ihrer Kraft mein Ziel verfolgen.
Bald ist es so weit. Dann ist mein Teil getan und ich kann gehen. Am Ende wird es Sieger geben und Verlierer. Wer die Sieger sein werden, tut nichts zur Sache. Entscheidend sind die Verlierer und ich bete darum, dass es die Richtigen trifft.
24.
An die Göttin des Morgens dachte Nick auch sofort, als am nächsten Tag der Wecker läutete. Hemera. Er konnte es kaum erwarten, Emilys Bericht zu hören. Was sie erlebt hatte, wie es gelaufen war, ob sie schon einen Auftrag bekommen hatte. Er würde ihr helfen und ihr sicher bald wieder beim Spielen zusehen. Wenn er nicht mittendrin steckte, war es vielleicht einfacher, Hintergründe zu erkennen. Muster. Er duschte pfeifend und zog sich singend an. Es würde ein guter Tag werden.
Meistens war Emily vor ihm auf dem Schulgelände, stand mit Freundinnen zusammen – oder mit Eric –, doch heute konnte er sie nirgends entdecken. Eric dagegen sah er, wie er mit einigen Mädchen aus der Elften plauderte. Er wirkte gelöster als die Tage zuvor. Der Schock, den Aisha ihm beschert hatte, schien überwunden zu sein. Aber ob er noch einmal gegen Erebos aktiv werden würde? Nick bezweifelte es. Eric war vermutlich froh, nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.
Dann kam Emily. Sie ging schnell, als hätte sie es sehr eilig. Eric winkte ihr einladend zu, doch sie nickte nur knapp zurück und lief weiter. Kurz vor dem Schultor fing Nick sie ab.
»Hi, Emily!«
»Hi.«
Es war schon klar, sie konnte nicht hier vor allen Leuten über Erebos reden, aber ein Zwinkern, ein verschwörerisches Lächeln … irgendetwas würde doch kommen? Nick suchte danach in ihrem Gesicht, doch das war ausdruckslos wie eine weiße Wand.
»Vierte Stunde? Bibliothek?«, flüsterte Nick unbehaglich.
Emily zuckte mit den Schultern. »Mal sehen.« Ohne ein weiteres Wort ließ sie ihn stehen.
Da vorne stand Rashid mit Alex, Emily steuerte auf die beiden zu. Was wollte sie denn von denen? Nick kapierte gar nichts mehr. Ungläubig beobachtete er, wie Emily an Alex’ Lippen hing, als der begann, mit ausholenden Gesten und geheimnisvoller Miene irgendetwas zu erzählen. Fragte sich nur, was. Details aus dem Spiel konnte er ja schlecht zum Besten geben.
Den ganzen Tag über behielt er Emily im Auge, doch sie ging ihm aus dem Weg, sah an ihm vorbei oder durch ihn hindurch – zu keinem Zeitpunkt erwischte er sie alleine.
Wahrscheinlich lag es daran, dass er so auf Emily konzentriert war – jedenfalls merkte Nick erst am Nachmittag, dass Colin ihm nachstellte. Egal, wo Nick sich aufhielt, Colin war in der Nähe. Ob er ihn beobachtete, ließ sich nicht sagen, jedenfalls war er da wie ein dunkler Schatten. Nick überlegte, ob er auf ihn zugehen und mit ihm reden sollte, den Streit von gestern aus der Welt schaffen. Sie waren immerhin mal Freunde gewesen, das war noch gar nicht lange her. Aber allein die Vorstellung, dass Colin Jamie den Drohbrief untergejubelt und vielleicht sogar sein Fahrrad sabotiert hatte, hielt Nick ab. Bei der ersten falschen Bemerkung würde er Colin die Nase brechen.
Je länger der Tag dauerte, auf den er sich so gefreut hatte, desto verlorener fühlte sich Nick. Sein bester Freund lag ihm Koma, Colin und er trauten einander nicht mehr über den Weg und Emily tat, als würde er nicht existieren. Leute, mit denen er immerhin mal lose befreundet gewesen war, wie Jerome, betrachteten ihn argwöhnisch. Die, von denen Nick wusste, dass sie aus dem Spiel geflogen waren, versuchten, sich unsichtbar zu machen, und legten keinen Wert auf Gespräche, wie Greg.
Irgendwann an diesem Nachmittag lief Nick im Schulhof der grüne Trenchcoat über den Weg. Das Mädchen, das ihn trug, musste Darleen Pember sein. Er kannte sie nur vom Sehen, erinnerte sich aber, dass Jamie ein Auge auf sie geworfen hatte. Bei Jamie hatte er jede Menge gutzumachen.
Nick sah sich um, versuchte Colin zu entdecken. Auf keinen Fall würde er Darleen ansprechen, wenn sein Verfolger
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