Erebos
aufstehen, der Ton ist wie eine Kreissäge in seinem Kopf; er möchte ihn gern abstellen, wagt es aber nicht, denn vielleicht verpasst er dann eine Warnung. Einen Hinweis, irgendetwas Wichtiges.
»Ich gebe auf.«
LordNick stellt sich triumphierend über ihn. »Dann rück die 4 Goldstücke raus.«
Sarius öffnet sein Inventar, bedacht darauf, keine Bewegung zu machen, die seine Verletzungen verschlimmern könnte. Er gibt die verlangte Summe ab. Nun bleiben ihm nur noch 3 Münzen. Er sollte schnell die Gegenstände zu Geld machen, die er dem Grabräuber abgenommen hat. Vorausgesetzt, er kommt überhaupt noch dazu. Der letzte Rest Rot auf seinem Gürtel ist läppisch schmal.
Er blickt zur Seite, wo im Halbschatten einige Tische und Stühle stehen. LordNick hat sich wieder dorthin zurückgezogen. Von einem der anderen Tische erhebt sich eine Gestalt in einer einzigen fließenden Bewegung. Unter der Kapuze, die das Gesicht überschattet, sieht Sarius die wohlbekannten gelben Augen.
»Lektion eins«, doziert der Bote. »Fordere keinen Gegner heraus, von dem du überhaupt nichts weißt. Halte dich an die, die du schon einmal hast kämpfen sehen.«
Er geht neben Sarius auf die Knie und legt ihm eine Hand auf den Kopf. Der Kreissägenton wird leiser.
»Lektion zwei: Kämpfe nur um lohnende Dinge. 4 Goldmünzen sind lächerlich. Und nun steh auf.«
Er reicht ihm seine knochige Hand, deren Finger Sarius plötzlich an Skorpionbeine erinnern, die er aber trotzdem ergreift.
»Wir haben etwas zu besprechen. Komm mit.«
Der Bote führt ihn in einen kleinen Nebenraum, in dessen Mitte ein runder Tisch steht und darauf eine einzige Kerze. Sie setzen sich.
»Nun benötigst du schon wieder Heilung«, sagt der Bote. »Du erinnerst dich doch sicher noch an die Regeln, die in dieser Welt gelten? Du hast hier nur ein Leben, ein einziges. Ich finde, du achtest nicht besonders gut darauf.«
Sarius findet keine passende Antwort, also schweigt er. Es scheint nicht leicht zu sein, es dem Boten recht zu machen: Er rügt die, die sich schonen, ebenso wie die, die aufs Ganze gehen.
»Versteh mich nicht falsch, ich schätze deinen Mut«, sagt der Bote, als hätte er Sarius denken gehört. »Deshalb bin ich hier. Um dir zu helfen.«
Er stellt ein Fläschchen mit sonnengelber Flüssigkeit auf den Tisch. Sarius erkennt den Heiltrank wieder, den er nach dem Kampf gegen die Trolle erhalten hat.
»Ich möchte dir das gerne geben. Du weißt, morgen finden die Arenakämpfe statt. Die gibt es nicht jeden Tag – wer weiterkommen möchte, sollte dabei sein.«
»Will ich ja auch«, antwortet Sarius.
»Gut.«
Der Bote beugt sich vor, als wolle er Sarius etwas Vertrauliches mitteilen und verhindern, dass jemand anderes es mithört. »Die Kämpfe beginnen zur Mittagsstunde. Wer sich eingeschrieben hat, muss zu dieser Zeit an der Arena sein. Achte also darauf, dass du den Beginn nicht verpasst, sonst wirst du nicht zugelassen!«
»In Ordnung«, erwidert Sarius und streckt die Hand nach dem Fläschchen aus.
»Einen Moment.«
Die fahlgelben Augen des Boten flackern. Er legt seine Hand auf Sarius’ Arm und mit einem Mal wird der Verletzungston wieder lauter.
»Ich sagte, ich möchte dir das geben, nicht, dass du es dir nehmen sollst.«
Folgsam zieht Sarius seine Hand zurück. Es dauert ein wenig, bis der Bote wieder spricht.
»Ich fände es besser, wenn du die Kämpfe als Drei bestreitest, nicht als Zwei.«
»Als Drei? Ja, das wäre toll.«
»Nun, dann lass uns doch so tun, als wäre das hier das dritte Ritual. Ich erteile dir einen Auftrag, Sarius.«
Gedankenverloren spielen die langen Knochenhände mit dem Heiltrank.
»Du hast doch sicherlich die Silberscheibe aufbewahrt, die dir Erebos geöffnet hat?«
Sarius braucht einen Moment, bis er versteht, was der Bote meint.
»Ja. Natürlich.«
»Gut. Mein Auftrag lautet: Wirb einen neuen Krieger für uns an oder eine Kriegerin. Kopiere die Silberscheibe und gib sie an denjenigen weiter, den du für würdig hältst. Aber beachte die Regeln!«
Etwas Rötliches mischt sich in den gelben Blick von Sarius’ Gegenüber.
»Verrate nichts über Erebos. Nicht das Geringste. Erkläre dem Novizen, dass du ihm ein großes Geschenk machst. Denn das tust du, immerhin schenkst du ihm eine Welt. Versichere dich seines Schweigens. Erkläre ihm, dass er dieses Geschenk niemandem zeigen darf. Erkläre es so, dass er es glaubt. Mach ihm zudem klar, dass er Erebos nur allein und ohne Zeugen betreten darf.
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