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Erebos

Erebos

Titel: Erebos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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zurück im Bett – es reichte Nick nun wirklich. Wenn er schon nicht spielen konnte, wollte er wenigstens schlafen, er fühlte sich wie ausgehöhlt.
    Ein Spiel, das man nicht kaufen kann. Ein Spiel, das mit dir spricht. Ein Spiel, das dich beobachtet, dich belohnt, dir droht, dir Aufgaben erteilt.
    ›Manchmal denke ich, es lebt‹, hatte Colin gesagt. Colin war zwar kein Nobelpreis-Anwärter, aber naiv war er auch nicht. Nein, natürlich lebte dieses Spiel nicht. Aber es war außergewöhnlich. Sehr sogar.
     
    Sarius liegt auf dem Boden, LordNick steht über ihm und grinst ihn an, aus diesem fürchterlich vertrauten Gesicht.
    »Ich war zuerst da«, sagt er. »Du bist nur ein kleiner Scheißer.« Er hält Sarius einen Beutel entgegen, in dem Köpfe sind: Jamies, Emilys, Dans und der seines Bruders. »Such dir einen aus oder willst du ewig mit dieser Elfenfresse herumlaufen?«
    Sarius hasst LordNick, er will aufspringen und sein Schwert ziehen, aber er kann sich nicht bewegen, außerdem ist es dunkel wie in einer Gruft.
    »Wir können kämpfen, was hältst du davon?«, bringt er mühevoll heraus. »Kämpfen wir um zwei Level. Aber du musst mich aufstehen lassen.«
    »Um Level? Keine Chance, Sarius. Wir kämpfen um Jahre. Zehn Lebensjahre, was hältst du davon?«
    Sarius wird bewusst, dass er zum ersten Mal die Stimme einer seiner Gegner wirklich hört. Wieso? Und wieso Lebensjahre, das kann nicht sein Ernst sein, das funktioniert doch gar nicht. Der Gedanke macht ihm Angst.
    »Das will ich nicht, das ist ein schlechter Einsatz.« Auch seine eigene Stimme hört er, sie ist weinerlich und hoch.
    »Na gut«, sagt LordNick und wirft den Beutel mit den Köpfen zur Seite. »Dann scheidest du aus.« Er nimmt sein Schwert in beide Hände, hält es hoch und sticht damit zu. Er nagelt Sarius an den Boden wie einen Schmetterling und Sarius schreit, er brüllt, er will nicht sterben …
     
    Es war sein eigenes Wimmern, das Nick weckte. Sein Herz pumpte so schnell, als wäre er gelaufen. Die Dunkelheit seines Traums war immer noch um ihn, vielleicht war er gar nicht aufgewacht.
    Da war der Radiowecker, ein Glück. 03:24. Nick ließ sich in sein Kissen zurückfallen und atmete durch. Sein eigener Schrei gellte ihm noch in den Ohren – hoffentlich hatte er den nur in seinem Traum ausgestoßen, sonst war sicher das ganze Haus davon aufgewacht.
    Doch es blieb ruhig in der Wohnung, weder Mum noch Dad schneiten herein, um nachzusehen, weswegen ihr Sohn sich die Seele aus dem Leib schrie. Glück gehabt.
    Er schloss die Augen und öffnete sie sofort wieder. Der Gedanke an Schlaf war noch zu beunruhigend. Gut denkbar, dass LordNick für einen weiteren Traum-Einsatz mit Köpfe-Beutel und Schwert bereitstand.
    Eine bessere Idee war es, pinkeln zu gehen. Er schleppte sich in Richtung Klo, sorgsam darauf achtend, seine Eltern nicht zu wecken. Er versuchte, sich an LordNicks Stimme zu erinnern, doch das war einfach irgendeine Stimme gewesen; keine, die er zuordnen konnte.
    Warum können wir uns während des Spiels nicht live unterhalten? Richtig miteinander sprechen, wie in anderen Online-Rollenspielen?
    Die Antwort lag auf der Hand, sogar zu dieser nächtlichen Stunde: weil die Spieler einander nicht erkennen sollten. Weil sie nicht wissen sollten, mit wem sie es in Wahrheit zu tun hatten. Aber ob wirklich alle dichthielten?
    Nick betätigte die Spülung besonders sanft und schlich zurück in sein Zimmer. Er war überhaupt nicht mehr müde. Kein Stück. Er konnte wirklich noch einmal versuchen, Erebos zu starten. Wenn es funktionierte, würde er in ein paar Stunden mit gutem Gefühl zur Schule gehen.
    In der völligen Stille der Nacht schienen ihm die Geräusche des startenden Computers schauderhaft laut zu sein. Allein das Brummen der Festplatte und das Rauschen der Kühlung musste seine Eltern wecken.
    Er klickte auf das rote E, ohne große Erwartung einerseits, voller Hoffnung andererseits und mit ungläubigem Erstaunen, als sich ihm die Welt tatsächlich wieder öffnete.
     
    Sarius ist nicht mehr in seinem Herbergszimmer, er steht mitten im Wald. Fast wie zu Beginn, als er noch ein Namenloser war. Der Wald ist dunkel und Sarius ist allein. Eine Ahnung von Musik schwebt in der Luft, sirrend, als verkünde sie nahendes Unheil.
    Zwischen den Bäumen schlängelt sich ein schmaler Pfad dahin, fast nicht zu erkennen in der Dunkelheit. Sarius muss sich nicht lange durch die Finsternis tasten, schon nach kurzer Zeit führt der Weg ihn auf eine

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