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Erebos

Erebos

Titel: Erebos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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reizbar.«
    Sein Vater murmelte Unverständliches in seinen Teller. Nick fragte nicht nach. Er musste sich um Sarius kümmern.
     
    Der Mond, der durch das Fenster der Gaststätte scheint, ist in genau der gleichen abnehmenden Phase wie der Mond über London. Doch London ist weit weg.
    Sarius liegt auf seinem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, den Blick an die Decke gerichtet. Irgendwann muss jemand einen Brief vorbeigebracht haben; das gelbe Siegelwachs, das ihn verschließt, hat die Form eines Auges. Bevor er ihn öffnet, überprüft er seine Habseligkeiten und ist beruhigt: alles noch da. Das Gold, die Heiltränke.
    Er reißt den Brief auf, der kurz ist und nicht erbaulich:
     
    Die anderen sind fort. Du wurdest gebraucht und hast deine Mithilfe verweigert. Wir sind enttäuscht, Sarius. Deine Nachlässigkeit kann nicht ohne Folgen bleiben, du ver stehst?
     
    Unterschrieben ist der Brief wieder mit einem gelben, augenförmigen Fleck – mehr ist auch nicht nötig. Sarius hat Mist gebaut.
    In dem Moment, in dem er den Brief beiseitelegt, erlischt der Kerzenleuchter auf seinem Tisch, im nächsten Augenblick erlischt der Mond. Die Welt von Erebos wird finster und stumm. Sarius ist ausgesperrt und ein paar schreckerfüllte Sekunden lang denkt er, diesmal wird es für immer sein. Aber das ist natürlich Unsinn, er hat sich heute so bombig geschlagen. Der Bote hat gesagt, er sucht die Besten der Besten. Zu denen könnte Sarius gehören. Er weiß es. Er spürt es.
     
    Die Gemüselasagne lag schwer in Nicks Magen. Hättest du we niger gegessen, hättest du schneller gegessen, dann hättest du die Quest nicht verpasst. Zum Auswachsen, echt. Nick starrte auf den schwarzen Bildschirm. Das war so unfair. Doch wie immer blieb die Schwärze unerbittlich und resistent gegen Computerneustarts, Bitten und Flüche.
    Wo wohl die anderen jetzt gerade waren? Ob Lelant dabei war? Ob er ihn in dieser Nacht wieder überholen würde? Verdammt, verdammt, verdammt. Und nur weil Nick nicht wusste, wie man in dem Spiel korrekt pausierte.
    Lustlos checkte er seine Mails, ohne etwas zu finden, das seine Laune verbesserte. Mehr aus Gewohnheit als aus einem echten Bedürfnis heraus rief Nick Emilys Seite bei deviantart auf und fand ein neues Gedicht.
     
    Nacht
    In meinem Bett
    halte ich Wache
    hinter einem Palisadenzaun
    von Kissen und Decken.
    Mit weit geöffneten Augen
    spähe ich nach flüsternden Geschöpfen,
    die das Tageslicht scheuen,
    dunkle Zwillinge meiner Gedanken.
    Mit ausgestreckten Armen
    taste ich nach Vertrautem
    und finde nicht einmal mich selbst.
    Nur die Gebetsmühle in meinem Kopf rattert
    gleichmäßig, unverständlich, wahnsinnig
    und ich bete um Waffenstillstand
    zwischen Tag und Nacht,
    um Sandkörner in den Augen
    und das erste Licht des Morgens,
    das bleich ist wie du.
     
    Da war etwas in dem Gedicht, das Nick für kurze Zeit von seinem Frust ablenkte. Es ließ ihn denken, dass er vielleicht einmal mit Emily reden sollte. Sie zum Beispiel fragen, ob es ihr auch gut ging oder ob sie Probleme hatte. Er überlegte kurz und verwarf die Idee sofort wieder. Sie kannten sich nicht gut genug und er würde sich nur blamieren.
    Hi, Emily. Ich wollte dich schnell fragen, ob du in Ordnung bist. Oder … äh … Probleme hast.
    Hab ich nicht. Wieso?
    Ich dachte nur, weil ich dieses Gedicht von dir gelesen habe …
    Ach. Wo?
    Auf deviantart.
    Sieh an. Woher kennst du meinen Nickname?
    Na ja, ich habe einmal gehört, wie du dich mit Michelle darüber unterhalten hast. Tut mir leid. Ehrlich.
    Und mir erst. Bleib mir vom Leib, Nick. Im Internet und im echten Leben.
    So würde es laufen und nicht anders. Wahrscheinlich war das Gedicht bloß Kunst und hatte mit Emilys Innenleben nicht das Geringste zu tun.
    Nick versetzte seiner Maus einen Schubs, der sie über den ganzen Schreibtisch rutschen ließ, und zog seinen Zopf zurecht. Er konnte auf jeden Fall noch einen Versuch starten, Erebos wieder zum Laufen zu bringen. Gut zehn Minuten waren verstrichen, möglicherweise reichte das dem Boten als Strafe, vielleicht wollte er nur sehen, wie beharrlich Nick versuchte, wieder einzusteigen.
    Es klappte weder beim ersten oder zweiten noch beim fünften Mal. Scheiße, das war doch echt nicht fair. Der Abend war versaut, einziger Lichtblick war das verblüffte Gesicht von Nicks Vater, der, als er einen kurzen Blick ins Zimmer warf, seinen Sohn tatsächlich lesend vorfand.
     
    21:34 verkündeten die roten Leuchtbuchstaben des

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