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Erfindergeist

Erfindergeist

Titel: Erfindergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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aufgetaucht ist. Bei diesem Telefonat habe ich ihr übrigens auch angekündigt, dass ich heute zu ihnen kommen würde. Das können Sie gerne nachprüfen.«
    »Danke, Herr Müller. Das werden wir selbstverständlich tun. Würden Sie mich bitte zum Haus der Kluwers begleiten? Dort sind ein paar Kollegen, die Ihre Personalien aufnehmen. Sie werden in den nächsten Tagen Ihre Aussagen zu Protokoll geben müssen.«
    »Dazu bin ich verpflichtet, oder?«
    Ich nickte stumm und hob das Absperrband etwas hoch, damit er leichter darunter durchschlüpfen konnte. Nachdem ich ihn bei einem Kollegen mit ein paar erklärenden Sätzen abgeliefert hatte, machte ich mich auf den Heimweg. Ich stieg in meinen Dienstwagen.
    Hin und wieder kam es vor, dass ich mich nicht so akkurat an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielt, wie man es von einem Polizeibeamten eigentlich erwarten würde. Der Polo-Fahrer, der die ganze Zeit vor mir durch Speyer tuckerte, ließ Frust in mir aufsteigen. Beim Abbiegen erkannte ich, dass der Hut tragende Senior im wahrsten Sinne augenscheinlich nicht mehr in der Lage war, am fließenden Verkehr teilzunehmen. Er war zwischen Rückenlehne und Lenkrad regelrecht eingeklemmt. Ich hatte den Eindruck, sein Sichtfeld endete wenige Zentimeter vor seiner Stoßstange. Bei diesem Anblick erinnerte ich mich an ein Erlebnis, das ich vor ein paar Jahren in einer Ludwigshafener Straßenbahn gehabt hatte. Es war tiefster Winter gewesen und die Straßen waren nach einem heftigen Schneefall matschbedeckt. An der zentralen Haltestelle ›Berliner Platz‹ schlurfte eine zittrige Seniorin mit ihrem Rollator zur Bahn. Ein jüngerer Mann half ihr beim Einsteigen. Ich bewunderte ihren Mut, sich bei solchen Wetterverhältnissen auf dieses Abenteuer einzulassen. Kaum fuhr die Bahn los, erkannte die alte Dame auf dem Sitz gegenüber eine Bekannte. Den folgenden Satz werde ich vermutlich mein Lebtag nicht vergessen. Sie sagte zu der Dame: ›Ne, Gerdi, dass mit diesem Ding hier ist mir zu umständlich.‹ Dabei zeigte sie auf ihren Rollator. ›Morgen nehme ich lieber wieder mein Auto.‹
    Glücklicherweise war der Senior vor mir inzwischen abgebogen, sodass ich meinen rechten Fuß wieder in Richtung Gaspedal bewegen konnte. Es war bereits Nachmittag geworden und mir kam in den Sinn, mein Handy, das ich im Handschuhfach vermutete, einzuschalten. Nein, sagte ich mir, die Geschichte habe ich schließlich selbst verbockt, also musste ich meiner Stefanie die heutige lange Abwesenheit persönlich erklären, von Angesicht zu Angesicht. Je mehr ich mich in diesen Fall reinkniete, desto mehr hatte ich den Eindruck, dass mir zu Hause die Felle wegschwammen. Ich musste den Fall abgeben, das wurde mir immer klarer. Ich wollte nur noch kurz bei Jutta vorbeifahren, bevor ich endlich meinen Urlaub mit der Familie zusammen genießen würde. Zuvor würde ich KPD über unsere personelle Situation informieren.
    Auf dem Weg zu Juttas Büro ging ich an unserem Getränkeautomaten vorbei. Ich wunderte mich nicht wirklich, als ich sah, dass auf unserem mit acht Eddingstrichen markierten Kaltgetränkeautomaten ein Schild hing: ›Bitte je Mitarbeiter nur ein Getränk pro Tag‹. Noch skurriler wurde es, als ich auf dem Automaten für Heißgetränke einen ähnlichen Hinweis entdeckte: ›Der Kaffeeautomat darf nur noch in den offiziellen Pausen benutzt werden‹. Darunter stand, wie sollte es anders sein, der Name des Elektroprüfers aus Ludwigshafen. Ich verzichtete auf eine Diätlimonade und ging direkt zu Juttas Büro, das wie in den letzten Tagen offen stand.
    »Hallo, unser Reiner ist wieder da«, begrüßte sie mich. »Du machst vielleicht Sachen! Kaum bist du unterwegs, gibt es Tote. Man sollte dich einsperren.« Sie machte hoffentlich nur Spaß.
    Ich ließ ihr ihren Humor und entdeckte zwei Kaffeekannen auf dem Besprechungstisch und mehrere ungebrauchte Kaffeetassen. »Oh, du hast gleich eine Besprechung?«
    Jutta schaute auf. »Wie kommst du denn darauf? Ach so, du meinst den Kaffee? Der steht nur zu Dekorationszwecken da.«
    Als ich die Stirn runzelte, erklärte sie mir: »Passiver Widerstand, du verstehst?«
    »Nicht wirklich, Jutta.«
    »Hast du das Schild am Kaffeeautomaten gelesen?«
    »Meinst du die abgedrehten Getränkeregelungen? Nimmt die überhaupt jemand ernst?«
    »Du solltest das nicht auf die leichte Schulter nehmen, Reiner. Der Mann macht Stichproben, im Wiederholungsfall droht ein Eintrag in die Personalakte. Mich würde es nicht wundern,

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