Erfindergeist
wenn er zusätzlich Überwachungskameras installiert hätte.«
Ich war fassungslos. »Lässt KPD diesen Knallkopf einfach so schalten und walten? Nervt ihn das nicht?«
Jutta zog die Schultern hoch und meinte: »Ich weiß nicht mal, ob KPD das überhaupt im Detail mitkriegt. Er ist immer noch mit seiner Wie-mache-ich-mich-beliebt-Tour auf dem Weg durch sämtliche Büros. Wenn die beiden etwas gemeinsam haben, dann, dass sie nicht die geringste Ahnung haben, wie hier wirklich gearbeitet wird.«
»Aber das mit dem Mordfall in Speyer hat er mitbekommen?«, fragte ich zaghaft.
»Da wäre ich mir nicht so sicher, Reiner.«
»Oje, wir können nicht weiterhin so tun, als wäre unser Kommissariat voll einsatzfähig. Was meinst du, was passiert, wenn jemand Externes Wind davon bekommt und diese Zustände öffentlich macht. Ich werde nachher gleich mal ein Wörtchen mit KPD reden, schließlich habe ich ja Urlaub. Außerdem würde ich gerne etwas mit Stefanie und meinen Kindern unternehmen, statt bei einem abgedrehten Verein zu ermitteln.«
»Reg dich nicht auf, Kollege, trink lieber einen Kaffee.«
»Kaffee. Das kommt jetzt genau richtig. Warum hast du eigentlich gleich zwei Kannen in deinem Büro?«
Jutta lächelte verschmitzt. »Habe ich doch vorhin gesagt, passiver Widerstand. Diese Kannen habe ich auf der Elektroplatte im Sozialraum gekocht, die funktioniert nämlich noch ohne Einschränkung. Eine Kanne mit heißem Kaffee und eine Kanne mit sehr heißem Kaffee, verstehst du? Die Kilowattstunden sind nur so durch die Leitung gerauscht.«
Während ich mir eine halbe Tasse des heißen oder sehr heißen Kaffees einschenkte, so genau wusste das selbst Jutta nicht mehr, stellte ich ihr eine Frage, die man vorsichtshalber immer stellen sollte, bevor man in dieser Dienststelle Kaffee trank, der nicht aus dem Automaten stammte. »Gerhard ist zurzeit krank. Ich vermute, du hast nicht sein Rezept übernommen, Jutta?«
»Selbstverständlich befindet sich in beiden Kannen original Gerhard Steinbeißers Sekundentod. Schwächeren Kaffee würde ich gar nicht mehr vertragen. Schau mal, da steht sogar Milch auf dem Tisch, wie wäre es, wenn du ihn dir damit etwas verdünnst?«
Ich hatte gerade meine halbe Tasse Kaffee mit Milch aufgefüllt, da kam KPD zur Tür hereingeschneit. »Da sind Sie ja, Herr Palzki. Ich suche Sie schon den ganzen Nachmittag!«
Er sah die Kannen auf dem Besprechungstisch stehen. »Sie erlauben, dass ich mir eine Tasse einschenke?«
Jutta nickte, ohne ein Wort zu sagen. KPD goss sich eine Tasse Kaffee ein.
Ich nutzte den Augenblick, um ihn auf unsere Situation im Allgemeinen und meinen Urlaub im Besonderen anzusprechen. »Herr Diefenbach, gut, dass Sie da sind. Es gibt da etwas, das Sie wissen sollten …«
»Ja, ich weiß, Herr Palzki«, unterbrach er mich, »ich habe per Fax eine Auftragsbestätigung erhalten.« Er zog ein gefaltetes Blatt Papier aus seiner Jacke, griff nach seiner Tasse, nippte und verbrannte sich erst einmal kräftig die Zunge. »Autsch, Mensch, ist der heiß. Haben Sie den im Kraftwerk gebrüht?«
Jutta schaute ihn fragend an, so als wisse sie nicht, wovon er sprach. Daraufhin wandte er sich wieder an mich. »Herr Palzki, so geht das nicht. Darf ich Ihre Bestellung vorlesen? 10 Bierzeltgarnituren, 20 Meter Papiertischdecken, 3 Kisten Cola, 1 Kiste Mineralwasser mit viel Kohlensäure, 10 Kisten Pils und eine halbe Kiste Export. Haben Sie mir dazu etwas zu sagen?«
Ich nahm mir Jutta zum Vorbild und stellte mich ahnungslos. »Stimmt, KP… – äh, Herr Diefenbach, ich bringe das natürlich schleunigst in Ordnung. Das mit der halben Kiste Export hätte wirklich nicht sein müssen.«
»Halbe Kiste, was?« KPD s Stimme überschlug sich regelrecht. »Wollen Sie mich veräppeln?« Er setzte die Tasse erneut an und verschluckte sich.
Ich überlegte, was er mir wohl als Strafe aufbrummen würde: Bergbau in Sibirien oder noch schlimmer: Frauenbeauftragter in der öffentlichen Verwaltung. Irgendwie rechnete ich mit allem, nur nicht mit dem, was kam.
KPD fing an zu lachen. Ja, er kugelte sich vor Lachen. »Jetzt weiß ich es«, begann er zwischen zwei Lachsalven. »Ich hätte früher darauf kommen müssen. Ihre Mitarbeiter haben mir bereits gesagt, dass Sie neue Kollegen gerne mal auf den Arm nehmen und ihnen den einen oder anderen Streich spielen.« Er lachte noch eine Weile, bis er sich schließlich wieder beruhigte. »Das wäre Ihnen ja beinahe geglückt. Na ja, als Chef weiß man
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