Erfolg
gewisser Details des Rapallo-Vertrags vorstelle. Pröckl lief rot an. Es zeigte sich, daß er von den Einzelheiten des russischen Vertrags keine Ahnung hatte. Reindl, konziliant, beharrte nicht, fragte, ob Herr Pröckl nicht mit nach Moskau wolle. Vielleicht könne man dort mit seinem Serienwagen etwas anfangen. Er erwäge ernstlich. Ohne die Antwort abzuwarten, wandte er sich an Anni, ob sie die Balladen Pröckls kenne. Ausgezeichnete Sachen. Pröckl habe sie ihm vorgetragen.
Pröckl, in seiner verschwitzten Lederjacke, stand auf der staubigen Straße, in der Abendsonne. Das Angebot Reindls, ihn mit nach Moskau zu nehmen, hatte ihm einen Ruck gegeben, war eine große Versuchung. Der Kapitalist hatte eine Schwäche für ihn. Er war närrisch, daß er die nicht schon lange ausnutzte. Sonst doch hatte er bürgerliche Vorurteile, Würdegefühle und solchen Schmarren, in sich ausgerottet: warum zeigte er gerade diesem Sauhund gegenüber gekränkte Würde wie ein idiotischer alter Römer? Solcher Mangel an Zynismus grenzte schon ans Pathologische. Die ganzen Wochen über hatte er daran gemurkst, wie er am bequemsten nach Moskau kommen könne. Wenn er jetzt das Angebot des Reindl nicht annähme, das wäre einfach verbrecherisch.
Der Reindl, mittlerweile, hatte die riesige Automobilbrille abgenommen, lächelte galant zu Anni hinüber. Es war erstaunlich, was er für ein großes, weißes Gesicht hatte. Auf den Bildern der Zeitungen sah dieses Gesicht protzig aus, unnahbar, ein richtiges Großkopfigengefrieß; aber in der Nähe war der Fünfte Evangelist ein ganz kommoder Herr. Er verstand es, auf sachte Art, fast ohne Worte, Komplimente zu machen. Sie wußte, daß sie hübsch und adrett aussah trotz des billigen Sommerkostüms. Er zeigte ihr, daß sie ihm gefiel. Sie dachte, der da sei also wirklich unbestritten, ohne viel Faxen ein Wirtschaftsführer . Sie dachte, er müsse große Stücke auf den Kaspar halten. Sie dachte, den sollte man wurzen. Er gefiel ihr, und sie war stolz auf Kaspar Pröckl.
Der Fünfte Evangelist, nachdem er noch einiges Abliegende gesagt hatte, fragte, wie es also sei, ob Herr Pröckl mit nach Rußland komme. Wenn Herr Pröckl mittue, werde er Moskau machen. Er sah dem Pröckl mit etwas ironischer Treuherzigkeit ins Gesicht. Der Pröckl dachte: Der gemeine provokatorische Hund, und sagte schroff: »Nein.« Der Reindl wandte ihm sein fleischiges Gesicht zu und sagte liebenswürdig: »Horror sanguinis?« Die Anni hastig, milderte, der Kaspar werde es sich überlegen. Auf der Landstraße nach Krottenmühl könne man nicht verlangen, daß einer pfeilgrad nach Moskau fahre. Sie lachte frisch, jung. Ihr volles Gesicht mit den munteren Augen unter der weißen Mütze stand warm und stark in der kräftigen Sonne. Der Reindl sagte, schön, man habe ja ein paar Tage Zeit; Herr Pröckl möge bis Samstag telefonieren.
Die Anni, nachdem der Fünfte Evangelist weggefahren war, machte dem Pröckl sacht Vorwürfe, daß er den mächtigen Mann so habe abfahren lassen; eine solche Gelegenheit komme nicht wieder. Dem Pröckl war das Herz warm, daß der Reindl in Gegenwart der Anni gezeigt hatte, wieviel er ihm wert war. Aber er gab sich finster, überheblich. Wenn er wolle, könne er auch ohne den Reindl nach Moskau; so viel lange es ihm immer noch. Die Anni, klug, beharrte nicht. Siewußte, wenn der Kaspar sich auch großartig gab, man brauchte bloß die rechte Stunde abzuwarten. Im übrigen war es ihr lieber, wenn er nicht nach Moskau ging; aber so ein Rindvieh soll er nicht sein, es mit dem Reindl zu verderben. Es war verflucht schwer, in diesen notigen Zeiten das Essen und das Gewand zu beschaffen. Klassenbewußtsein allein und das bißchen Auto machte es auch nicht. Es war gut, so einen Großkopfigen im Hintergrund zu haben.
Sie badeten in dem stillen, waldbestandenen See unmittelbar vor den Bergen. Pröckl belebte sich knabenhaft, war lustig, schrie, es wurde ein gemütlicher Abend. Auf der Rückfahrt, behutsam, fing sie wieder an, was er nun mit Moskau vorhabe. Er antwortete barsch, das habe er doch schon gesagt. Sie meinte, sie verstehe gar nicht, was sie alle gegen den Reindl hätten. Wenn der Beni nur gewollt hätte, hätte er sicher nicht fort müssen aus den Bayrischen Kraftfahrzeugwerken. Bestimmt liege es an ihm.
Pröckl preßte die langen, schmalen Lippen zusammen. Ihm war nicht bekannt, daß der Benno von dem Reindl fort war. Ihm hatte er merkwürdigerweise kein Wort gesagt. Er ärgerte sich. So
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