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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Kilpi
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nicht herunter, obwohl der Wagen sich mit Qualm füllt. Das Rauchverbot in Polizeifahrzeugen schert ihn nicht.
    »Einhundertvierzehn, Zentrale«, knarzt es aus dem Funkgerät.
    »Einhundertvierzehn hört«, antwortet Olli unverzüglich.
    »Fahrt schon mal los in Richtung Jämsänkoski, Adamseinsatz«, weist der Diensthabende an. »Weitere Informationen folgen.«
    »Roger«, quittiert Olli.

    Ein kleiner Buchstabe im Einsatzbefehl lässt seinen Puls in die Höhe schnellen, er spürt, wie das Adrenalin durch seine Adern schießt. A wie Adam bedeutet, dass höchste Eile geboten ist.
    Die glühende Kippe fliegt in die nächste Pfütze, Tossavainen prescht los. Die Männer, die sich nach der Stripteaseshow abkühlen, verstummen und drehen sich nach dem Streifenwagen um, der quer über den Platz schießt. Als der Wagen auf den Asphalt schlingert, schaltet Tossavainen das Blaulicht ein, die Sirene heult gleich darauf ebenfalls los. Tossavainen tritt routiniert aufs Gas, die Drehzahl steigt gleichmäßig. Olli ist in seinem Element. So ein Einsatz ist für ihn immer noch wie eine kostenlose Fahrt auf der Berg- und Talbahn. Gnadenlos beschleunigen, im Slalom durch den normalen Verkehr rasen. Er weiß, dass er das eigentlich nicht genießen dürfte, aber er kann nicht verhindern, dass sich ein Lächeln in seine Mundwinkel schleicht.
    »Einhundertvierzehn, Zentrale«, meldet sich der Diensthabende wieder.
    Olli wartet einen Moment, bevor er antwortet. Er rekapituliert, was er an der Polizeischule über das Verhalten im Funkverkehr gelernt hat. Blaulicht und Sirene können seltsame Reaktionen auslösen, und wenn noch plötzliches Abbiegen, Beschleunigen und Bremsen hinzukommen, sind alle Voraussetzungen für das Tangentenphänomen gegeben. Olli hat das bereits an sich beobachtet und weiß sich darauf einzurichten. Er muss die Ruhe bewahren und daran denken, dass seine Stimme über Funk zu hören ist, auch wenn er nicht brüllt. Er muss klar und deutlich sprechen und darf nicht vergessen, die Tangente loszulassen, wenn er fertig ist. Das alles klang lächerlich einfach, als er es auf der Polizeischule gehört hat, aber in der Praxis kann es passieren, dass man sich von der Spannung mitreißen lässt und die simplen Regeln vergisst.
    »Einhundertvierzehn hört«, antwortet Olli schließlich langsam, als spreche er mit einem Geistesschwachen.
    »In der Honkasaarenkatu ist ein bewaffneter Mann, der auf alles schießt, was sich bewegt. Ihr fahrt zur Unterstützung hin. Die operative Leitung hat Hauptwachtmeister Kokkonen. Meldet euch am Treffpunkt in Honkasaari bei ihm. Ich höre«, beendet der Diensthabende die Durchsage und wartet auf Bestätigung.
    Olli platzt vor lauter Fragen fast der Kopf. Der erste Einsatz gegen einen Bewaffneten. Er hat keine Ahnung, was zu tun ist, und bringt keine vernünftige Frage heraus. Das Vergnügen an der rasanten Fahrt ist so schnell verflogen, wie es aufgekommen war. Olli wirft einen Blick auf Tossavainen, der konzentriert auf die dunstig-feuchte Straße starrt. Vom schlechten Wetter hat er sich nicht aufhalten lassen, sie sind bereits auf der Honkasaarenkatu.
    »Einhundertvierzehn verstanden«, antwortet Olli.
     

    Irgendwo knallt ein Schuss. Olli krümmt sich instinktiv. Nicht nötig, der Schütze ist nirgends zu sehen. Weiter vorn stehen zwei Streifenwagen und geduckte Polizisten mit Helm. Wieder ein Schuss. Irgendwo klirrt eine Fensterscheibe, eine Frau schreit gellend. Tossavainen hält mitten auf der Fahrbahn. Sie steigen aus.
    »Kokkonen?«, fragt Tossavainen den ersten Polizisten.
    »Ja«, antwortet Hauptwachtmeister Kokkonen, dem man die Aufregung ansieht.
    Einsätze dieser Art kommen in kleinen Ortschaften nicht eben häufig vor, und die mangelnde Routine scheint den Einsatzleiter zu stressen. Er hat seine Gefühle und die Situation jedoch bewundernswert im Griff.
    »Wir sind als Rückhut hier«, erklärt Tossavainen. »Was liegt an?«
    »Der Kerl lauert im Innenhof des Hauses Nummer fünf. An einer so vertrackten Stelle, dass man absolut keinen Kontakt zu ihm kriegt. Einen Verletzten haben wir rausholen können. Wie viele Menschen in der Gefahrenzone sind, wissen wir nicht, aber es kommen ständig Anrufe.«
    »Was ist das für ein Typ?«
    »Irgendein Auswärtiger. Durchgedreht wie eine Wanduhr. Allem Anschein nach ist er nur zufällig hier. Er hat eine Feuerwaffe dabei, damit fing er plötzlich an rumzuballern. In einem der Gärten haben sie gerade Geburtstagskaffee getrunken und einer

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