Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Kilpi
Vom Netzwerk:
kleineres Licht als ein Polizist. Der Spruch belustigt ihn überhaupt nicht mehr.

Fünftes Kapitel

    Die alte Junghans-Uhr an der braun tapezierten Wand tickt laut, aber gleichmäßig und weich. Sie ist atemberaubend in ihrer einfachen Ästhetik. Für eine Wanduhr ist sie vergleichsweise klein. Sie ist in eine viereckige Porzellanplatte eingelassen, auf der sich reliefartig kleine kissenförmige Quadrate wölben und den Betrachter hypnotisieren.
    Im Hintergrund rasselt eine Kaffeemühle. Der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee schwebt in der Luft. Ein Geruch, wie ihn die Bohnen nur verströmen, wenn sie in der Mühle zerstoßen werden. Er dringt in jeden Winkel. Das niedrige Zimmer wirkt wie ein Relikt aus den Sechzigerjahren. Vor dem einzigen Fenster stehen ein kleiner Esstisch und zwei Stühle. Über den Tisch ist ein Wachstuch mit aufgedruckten Stiefmütterchen gebreitet. An der Wand steht ein einfaches Feldbett, darüber hängt ein schwerer Wandteppich mit der etwas ungelenk eingeknüpften Abbildung kämpfender Auerhähne. Den lackierten Dielenbelag bedecken hier und da kleine Flickenteppiche. Sie sind reichlich abgetreten, aber sauber.
    Die Hände drehen immer noch die Kurbel der zwischen die Knie geklemmten Kaffeemühle. Allmählich wird das Knirschen leiser, die Mühle muss leicht geschüttelt werden. Auf dem Tisch steht ein aus dicker Wolle gehäkelter Kaffeewärmer. In einem zerbeulten Kessel auf dem Elektroherd dampft das Wasser. Noch einige Umdrehungen, dann sind alle Bohnen gemahlen. Die Lade hervorziehen, dabei leicht schütteln, damit das Pulver sich gleichmäßig verteilt. Irgendwo am anderen Ende des Zimmers läuft das Radio, leise, kaum hörbar.
    Unter der Kaffeemütze kommt eine emaillierte Kanne zum Vorschein, rot und mit einem großen schwarzen Knopf auf dem Deckel. Der Deckel wird abgenommen. Das Kaffeemehl rutscht in die Kanne. Kein Körnchen fällt daneben. Die Lade kommt sorgsam zurück in die Mühle und die Mühle auf ihren Platz im Regal. Dampfendes Wasser läuft aus dem Kessel in die Kanne, wobei der Dampf wie eine dünne Peitsche aus der sich nach oben verjüngenden Tülle schießt.
    An der Tischecke liegen zwei Paar Küchenhandschuhe, die dickste Sorte, die es gibt. Neben dem Tisch stehen schnurgerade aufgereiht vier Kühlboxen aus Styropor. Sie werden eine nach der anderen geöffnet. Ein Auge misst sie eine Weile ab. Dann entfernen sich Schritte.
     

    Olli erwacht von einer Übelkeitswelle. Er dreht sich instinktiv auf die Seite und wartet darauf, dass die widerliche Woge verebbt. Doch er weiß, dass ihr eine zweite, noch stärkere folgen wird und er seinen gigantischen Kater in allen Nuancen und Schattierungen durchleiden muss.
    Vorsichtig dreht er sich wieder auf den Rücken. In seinen Ohren pfeift es und allmählich wird ihm das ganze Ausmaß seines Elends bewusst. Das Getöse an seinen Schläfen scheint seinen Schädel in zahllose kleine Stücke zersprengen zu wollen. Er muss die Augen öffnen. Langsam und vorsichtig. Anfangs ist alles verschwommen und vor allem viel zu grell. Außerdem wächst aus der gegenüberliegenden Wand etwas Seltsames hervor. Es reckt sich zu Olli hin wie eine riesige Pranke. Bei genauerem Hinsehen stellt er fest, dass die Pranke große Ähnlichkeit mit einer Deckenlampe hat.
    Olli erschrickt derart, dass er sich aufsetzt, schlägt dabei aber mit dem Kopf gegen etwas Unsichtbares. Er wird zurückgeschleudert und windet sich vor Schmerzen. Als er die Augen vorsichtig wieder öffnet, merkt er, dass er halb unter einem breiten Glastisch liegt.
    In seinem Blickfeld taucht eine dunkle Gestalt auf. Olli legt den Kopf schräg und erkennt, dass es sich um einen kleinen Jungen handelt, an die sechs Jahre alt. Der Junge hat einen breitkrempigen Filzhut auf. Er betrachtet Olli durch die Glasplatte und Olli blickt ihn an. In der nächsten Sekunde ergreift der Junge die Flucht.
    Etwas fällt auf den Boden, genau da, wo gerade noch der Junge stand. Ein Handy. Ollis Handy und es klingelt. Leise fluchend tastet er danach. Der Weckruf seines Handys teilt ihm mit, dass sein Dienst bald beginnt. Aber der Dienst ist momentan sein kleinstes Problem. Zuerst muss er herausfinden, wo er ist. Sein Zustand und sein offenbar längerfristiger Filmriss legen den Schluss nahe, dass er wer weiß wo sein und, was noch schlimmer ist, wer weiß was getan haben kann.
    Olli stellt den Weckruf aus, überlegt kurz und schaltet dann das Gerät ganz ab. Einem Anruf, womöglich gar von Anna, ist

Weitere Kostenlose Bücher