Erfrorene Rosen
Schwester zögernd zu, als ob sie sich wundere, dass die Polizei zu ihr kommt.
Tossavainen schweigt. Er drängt nicht, stellt keine Fragen, sondern gibt der Frau das, was sie jetzt braucht: Zeit. Da sie selbst bei der Polizei angerufen hat, ist es mehr als wahrscheinlich, dass sie früher oder später etwas sagen wird.
»Ähm …«, beginnt die Krankenschwester mit bebender Stimme. »Ich habe heute im Fernsehen das Bild von diesem Mann gesehen und bin mir ziemlich sicher, dass er vor ungefähr zwei Monaten als Patient hier war.«
Sie spricht so leise, dass Olli, der nur einen Schritt hinter Tossavainen steht, sie kaum hört.
»Aber jetzt ist er nicht mehr hier?«, vergewissert sich Tossavainen.
»Nein.«
»Wie hieß der Patient?« Tossavainen versucht, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen.
»Ich erinnere mich nicht. Und ich …«
So nah am Ziel droht Tossavainens Geduld zu versiegen und er gibt sich keine Mühe, das zu verbergen. Im Gegenteil, er beugt sich zu der Krankenschwester hinunter und sieht ihr streng in die Augen.
»Es ist überaus wichtig, dass wir die Identität dieses Patienten erfahren«, versichert er mit allem Nachdruck.
Die Krankenschwester versucht zu schlucken, doch es gelingt ihr nicht. Die Zunge klebt ihr am Gaumen, der Kehlkopf ist wie betäubt. Sie bringt nur ein trockenes Hüsteln zustande. Offenbar hatte sie geglaubt, die Information, dass sie den Mann erkannt hat, reiche aus. Nun würde sie ihren Anruf am liebsten ungeschehen machen.
Tossavainen fasst sie an den Schultern. »Die Sache ist die: Wenn wir den Mann nicht finden, weiß der himmlische Vater allein, was passiert. Je schneller wir ihn kriegen, desto weniger Schaden kann er anrichten. Wir sind auf jede Hilfe angewiesen.«
Die Krankenschwester sieht Tossavainen an und kommt zu dem Schluss, dass sie wohl keinen Rückzieher mehr machen kann. Tossavainen starrt immer noch auf sie herab. Das winzige Lächeln, das sich in seine Mundwinkel stiehlt, steigert ihre Verlegenheit noch.
Sie führt die Polizisten ins Schwesternzimmer, schließt die Tür und setzt sich an den Computer. Ihre Finger fliegen über die Tastatur. Olli und Tossavainen warten ungeduldig, die Augen auf den Bildschirm geheftet.
Da wird plötzlich die Tür aufgerissen und ein Mann stürmt herein. Das Namensschild auf seinem Kittel weist ihn als Stationsarzt aus.
»Was geht hier vor?«, fragt er streng und funkelt die Krankenschwester an.
»Polizei«, erklärt Tossavainen und zeigt seine Dienstmarke vor.
»Ja?«
»Wir fahnden nach einem Verbrecher, der vor einiger Zeit hier in Behandlung war. Wir möchten nur seinen Namen wissen, das ist alles.«
»Wenn Sie seinen Namen nicht kennen, woher wissen Sie dann, dass er hier war?«, fragt der Arzt mit einem misstrauischen Blick auf die Krankenschwester.
»Das spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass wir ihn so schnell wie möglich identifizieren«, erklärt Tossavainen hastig.
»Was wird dieser Person vorgeworfen?«
»Schwere Sachbeschädigung«, antwortet Tossavainen. »Und mehrere leichte.«
»Schwere Sachbeschädigung«, wiederholt der Arzt. »Welche Strafe steht darauf?«
»Wieso?«
»Wie lange kommt man dafür ins Gefängnis? Sicher keine sechs Jahre.«
Tossavainen hat keine Antwort parat, er sieht ratlos zu Olli hinüber. Offenbar ist der Arzt allzu gut über seine Schweigepflicht informiert.
»Sie wissen doch genau, dass wir bei einem Strafmaß von weniger als sechs Jahren keine Auskünfte geben«, verkündet der Arzt mit schneidender Stimme. »Weder über den Namen noch über den Grund für den Klinikaufenthalt. Von uns erfahren Sie nicht einmal, ob die betreffende Person je hier gewesen ist.«
Diesmal spießt der Blick des Arztes die Krankenschwester auf, mit der Folge, dass sie aufspringt und hinausläuft. Der Arzt wirkt zufrieden mit sich selbst.
Tossavainen unternimmt noch einen Versuch: »Wenn wir nicht herausfinden, wer der Mann ist, passiert mit absoluter Sicherheit etwas, worauf mehr als sechs Jahre stehen. Was dann?«
»Dann müssen Sie wieder herkommen«, entgegnet der Stationsarzt kühl.
»Und wenn es ganz schlimm kommt? Wenn jemand stirbt?«, setzt Tossavainen ihm zu. »Wollen Sie das auf Ihre Kappe nehmen? Werden Sie den Angehörigen erzählen, dass Sie den Namen des Täters zwar gekannt, aber für sich behalten haben?«
»Nein. Ich habe mir nämlich nichts zuschulden kommen lassen, schon gar keinen Dienstfehler.«
»Wir verschaffen uns Papiere, die …«
»Das wird
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