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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Kilpi
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sind.
     

    Tossavainen legt das Ohr an die Tür. Lauscht eine Weile, drückt dann auf den Knopf. Im Innern des Hauses ist die Klingel zu hören. Eine Minute vergeht. Olli versucht, durch die unbeleuchteten Fenster hineinzuschauen. Nichts zu sehen. Tossavainen klingelt erneut. Auch diesmal rührt sich nichts. Sie müssen sich den Generalschlüssel besorgen. Als Tossavainen einen Schritt zurücktritt, glaubt er plötzlich, etwas zu sehen. Er mustert das schmale Rauchglasfenster an der Tür genauer und sieht es erneut. Eine kleine Bewegung in dem geschwungenen Muster der Scheibe. Mit der Hand gibt er Olli ein Zeichen.
    Im selben Moment geht die Tür auf. Tossavainen weicht instinktiv einige Schritte zurück. Auf der Schwelle steht eine leicht übergewichtige Frau mittleren Alters, die ihn unsicher ansieht. Sie wirkt verschlafen, vielleicht auch verweint, der Unterschied ist in ihrem verlebten Gesicht schwer zu erkennen. Verblüfft ist sie jedenfalls beim Anblick von zwei unbekannten Männern, die sie anstarren, als erwarteten sie den Angriff einer bösartigen Hexe.
    »Polizei«, erklärt Tossavainen und zeigt seine Dienstmarke.
    »Aha«, sagt die Frau, ohne auf die Marke zu blicken oder in irgendeiner Weise auf die Information zu reagieren. Als käme die Polizei jeden Tag zu ihr.
    »Wer sind Sie?«, fragt Tossavainen.
    »Ich?« Die Frau sieht ihn verwundert an. »Elli Weeman.«
    »Ist Henry Weeman Ihr Mann?«, erkundigt sich Tossavainen und zeigt ihr das Foto.
    »Ja.«
    »Ist er zu Hause?«
    »Nein«, erwidert Elli in einem Ton, der erkennen lässt, dass sie die Frage für dumm und überflüssig hält.
    »Wo können wir ihn erreichen?«
    »Worum geht es denn?«, erkundigt sich Elli, als beginne die Sache sie allmählich zu interessieren.
    »Wir haben Grund zu der Annahme, dass Ihr Mann in Gefahr ist«, erklärt Tossavainen mit fester Stimme.
    »In Gefahr?«, wundert sich Elli. »In was für einer Gefahr denn?«
    »Es kann sein, dass jemand Ihrem Mann nach dem Leben trachtet. Wir müssen ihn in Sicherheit bringen.«
    Elli lacht auf, sieht zu Boden und blickt die Männer dann belustigt und verächtlich zugleich an.
    »Da kommen Sie leider zu spät«, sagt sie.
    »Wieso?«
    »Er ist gestern beerdigt worden.«
    Tossavainen starrt Elli an. Dann dreht er sich zu Olli um. Habe ich also doch recht gehabt, sagt sein Blick.
     

    Elli sitzt am Esstisch in der winzigen Kochnische und schaut auf den kleinen, von einem braunen Bretterzaun umgebenen Garten, in dem sich eine Gartenschaukel, ein Grill und eine Art Springbrunnen befinden, alles bereits für den Winter abgedeckt. Der Garten wirkt gepflegt. Er ist eine Oase in der Wüste der kommunalen Reihenhaussiedlung, wo viele ihren Garten als persönliche Müllhalde benutzen.
    Auch die Wohnung ist gepflegt. Eine gemütliche kleine Wohnung, in der man bescheiden und anständig lebt. Etwas scheint jedoch zu fehlen, wie Olli leicht verwundert feststellt. Die Beerdigung war gestern, aber nirgendwo sind Blumen, Kondolenzbriefe oder auch nur ein repräsentatives Foto des Toten zu sehen. Nichts, was an das Ereignis erinnert. Aber vielleicht ist genau das beabsichtigt. Eine Zeit lang kann man sich schützen, indem man verdrängt, was passiert ist.
    Der Garten scheint Ellis ureigenstes Reich zu sein. Man sieht förmlich, dass er ihr Herz ist, das sie Außenstehenden nur selten öffnet. Er ist ihr Geheimnis. Vielleicht ihr einziges. Sie und ihr Garten sind eins.
    Tossavainen sitzt der Frau gegenüber und zupft an seinen Handschuhen. Olli, der neben ihm steht, fühlt sich nicht weniger unbehaglich als er.
    »Sie hätten es doch wissen müssen«, überlegt Elli leise.
    »Wieso?«, fragt Tossavainen.
    »Sie sind doch hier gewesen und haben seinen Tod festgestellt. Da auf dem Sofa ist er gestorben. Da habe ich ihn gefunden«, sagt Elli.
    Tossavainen sieht Olli beschämt an. Ein kurzer Blick in die Datenbank hätte sie über die Untersuchung der Todesursache informiert. Was bei der Fahndung nach einem mutmaßlichen Verbrecher selbstverständlich wäre, ist bei der Suche nach den eventuellen Opfern in Vergessenheit geraten.
    »Ja, offenbar war eine Polizeistreife hier«, brummt Tossavainen.
    »Genau«, erwidert Elli seufzend. »Ich bin von der Arbeit gekommen und habe ihn da gefunden.«
    »Woran ist er denn gestorben?«, erkundigt sich Tossavainen.
    »Es war ein Herzinfarkt«, antwortet Elli und schaut wieder in den Garten.
    »Aber er war doch noch gar nicht so alt.«
    »Nein. Aber so was kann

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