Erfüllen Sie meinen Herzenswunsch, Mylord!
viel getrunken, keimte in ihr der Verdacht auf, dass er sich aus irgendeinem Grund verstellte. Ihr war bereits aufgefallen, dass er sein Glas seltener auffüllen ließ als die anderen Gäste. Statt jedoch beruhigt zu sein ob dieser Vermutung, wuchs ihr Argwohn. Was führt er im Schilde?, fragte sie sich insgeheim und erhob sich. „Gentlemen, ich überlasse Sie jetzt Ihrem Port.“
Sie war die Einzige, die sich in den Salon begab. Die anderen Frauen blieben wider jede Gepflogenheit in vornehmen Kreisen an der Tafel sitzen, um gemeinsam mit den Männern Port und Likör zu trinken. Später würden sie dann nach mehr Wein und nach Spielkarten verlangen – so jedenfalls hatten sie es die vergangenen zwei Wochen gehalten.
Seufzend nahm Charlotte in einem der Sessel Platz und betrachtete das unbenutzte Teeservice auf dem Tisch, als plötzlich die Tür aufging und Viscount Darton den Raum betrat. Ohne einen Ton zu sagen, spazierte er zum Kamin, in dem ein schwaches Feuer brannte, lehnte sich an das Sims und sah sie nachdenklich an. Zunächst war sie von seinem seltsamen Gebaren befremdet, doch dann, mit jeder Minute, die verstrich, wuchs ihre Unruhe. Sie kam nicht umhin, seine männliche Ausstrahlung zur Kenntnis zu nehmen, und spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Lord Darton war hochgewachsen und von muskulöser Statur, und mit seinem dunklen Haar und der gebräunten Haut hätte er gut aus einem südlichen Land stammen können. Um seine braunen Augen zeichneten sich feine Linien ab, die verrieten, dass er gerne lachte. Sein Kinn hingegen wirkte energisch, und um seinen Mund lag ein entschlossener Zug. Insgesamt gewann Charlotte den Eindruck, dass sie einen willensstarken und lebenslustigen Menschen vor sich hatte.
So betrachtete sie ihn eine ganze Weile und kam zu dem Schluss, dass er aus irgendeinem Grund verlegen war und etwas auf dem Herzen haben musste, das er ihr nicht zu sagen wagte.
„Langweilt Sie die Gesellschaft nebenan, Mylord?“, fragte sie schließlich und deutete mit dem Kinn zur Verbindungstür zwischen dem Salon und dem Speisezimmer, aus dem lautes Gelächter zu hören. „Möchten Sie eine Tasse Tee?“
„Tee?“, wiederholte Stacey zerstreut. Er war noch immer in Mrs. Hobarts Anblick versunken und fragte sich, ob es Verletzlichkeit war, die sich hinter ihrer bewundernswerten Selbstbeherrschung verbarg. Es musste so sein, denn in ihrer Lage hing sie umfassend vom Wohlwollen ihres liederlichen Schwagers ab, und darüber hinaus stand es Frauen selten frei, über Geld zu verfügen, selbst wenn sie welches besaßen. Stacey konnte es kaum glauben, dass der alte Sir William sie der Gnade seines Tunichtguts von einem Sohn ausgeliefert und sein Vermögen den Enkelkindern vermacht hatte.
Mrs. Hobart sah ihn fragend an, und ihm fiel auf, dass er ihr eine Antwort schuldig geblieben war. „Ja, Madam, eine Tasse Tee wäre mir sehr willkommen.“ Er stieß sich vom Kamin ab und ließ sich ihr gegenüber auf dem Kanapee nieder.
Sie schenkte ihm ein und reichte ihm die Tasse. „Werden die anderen sich zu uns gesellen?“
„Das bezweifle ich. Sie amüsieren sich hervorragend, und abgesehen vom Wein scheint es ihnen an nichts zu fehlen. Und da Ihr Schwager der Meinung ist, der neue Lakai könne einen Bordeaux nicht von gewöhnlichem Ale unterscheiden, habe ich mich erboten, für den Nachschub zu sorgen.“
Charlotte lächelte. „Das glaube ich gern. Peterson ist nämlich Landarbeiter – das heißt, wenn er gerade einmal in Lohn und Brot steht.“
„Ich verstehe. Diesem Mann eine Arbeit zu verschaffen war Ihnen also wichtiger, als Sir Cecils hohe Ansprüche zu berücksichtigen.“
„Es ist unmöglich, in Parson’s End und Umgebung ausgebildete Dienstboten zu finden, Mylord, erst recht nicht in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung stand“, erwiderte sie kühl. „Schließlich wollen die Freunde meines Schwagers rasch zu ihrer Zufriedenheit bedient werden.“
„Ich fürchte, sie werden immer etwas zu bemängeln haben.“
„Und Sie, Mylord, sind Sie hier, um wie die anderen Gäste Schwächen in meiner Haushaltsführung aufzuspüren?“
„Nein“, erwiderte er zögernd. „Ich bin nicht gekommen, um Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Ich sehe, mit welchen Schwierigkeiten Sie kämpfen.“
„Oh, das bezweifle ich. Wenn es so wäre, hätten Sie meinem Schwager nicht erzählt, dass Sie mich und die Dorfkinder am Strand gesehen haben. Sie mögen es amüsant finden, aber er hat
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