Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Mauer von nahem zu begutachten.
»Ich muss euch erklären, wo das Wasser bei Trockenheit abgelassen wird, ohne den Damm mitzureißen.«
Während des Fußmarsches schob sich Freydis hinter den kleineren Bruder: »Du Trottel, lässt dich von mir reinlegen. Bist eben immer noch der blöde Scheißer von früher.«
An der rechten Seite der Staumauer führte ein schmaler Stichkanal zur Holzsperre.
»Also, nehmen wir an, es hätte lange nicht geregnet.« Breitbeinig stand Erik da und zeigte auf das Geheimnis des Wasserspenders. »Dann können vier Knechte je nach Bedarf mithilfe einer Seilwinde die einzelnen Balken anheben.«
Hornrufe unterbrachen ihn. Weit entfernte Hornrufe, dunkel und lang gezogen, dann wieder abgehackt und wieder lang gezogen. Sie wehten vom Fjord über die Ebene herauf.
Beide Familien horchten stumm. Endlich brach Thjodhild das Schweigen. »Leif«, und konnte es kaum fassen. »Es sind Leif und Tyrkir.«
Erik strich sich den Bart. »Ausgerechnet heute«, er wischte mit dem Ärmel die Stirn. »Wahrhaftig. Die Götter lieben uns.«
Kein Halten mehr. Vergessen war der Damm. Ein Wettlauf zu den Pferden entbrannte zwischen den jungen Leuten. Egil, der älteste Sohn des Nachbarn, gewann vor Thorvald und Thorstein, und die jungen Männer führten ihre Gäule als Erste den Pfad hinunter, sehr zum Ärger von Freydis, die mit Ingva und Sigrid oben warten musste. »Ihr lahmen Krüppel«, schrie sie ihnen nach. »Ich hole euch doch ein!«
Bedächtiger war der Abstieg für die Erwachsenen und beim Anblick des schnellen Tölts, mit dem die Halbwüchsigen über die Wiesen davonjagten, wünschte sich Thjodhild, dabei zu sein. Nein, an der Spitze, dachte sie und spürte das Herz klopfen, ich möchte vor allen anderen meinen Jungen begrüßen und Tyrkir. Wie mag es dem Freund gehen? O geliebte Frigg, du höchste aller Göttinnen, gib mir beide gesund zurück!
Am Strand unterhalb von Steilhang herrschte aufgeregtes Durcheinander. Während die Knechte bereits Körbe und Ledersäcke ausluden, umringten die jungen Leute den Schiffsführer und seinen Lotsen. Fragen, Lachen, sich in den Armen liegen und wieder Fragen, weder Leif noch Tyrkir gelang es, bis auf »Ja« und »Erfolgreich« auch nur eine klare Antwort zu geben.
Dass etwas entfernt vom Reittier des Meeres noch ein zweites Schiff vor Anker lag, hatte im Freudentaumel bisher niemand wahrgenommen.
»Der Vater!«, warnte Thorvald. Sofort legte sich das Geschrei. Ordnung kehrte ein, wie sie der Brauch verlangte. Mann neben Mann nahm die Schiffsbesatzung Haltung an; die zu Hause gebliebenen Söhne und Töchter ließen von den Heimkehrern ab und bildeten in gebührendem Abstand einen Halbkreis. Feierlich langsam ritt der Herr von Steilhang mit seiner Hausfrau über den Kiesplatz, gefolgt von Ingolf Arnesson und dessen Frau Solveig.
Erst nachdem sich Erik im Sattel aufgerichtet hatte, beugte sein Ältester das Knie. »Die Fahrt war vom Glück begleitet. Kaum Verluste. Nur drei unserer Knechte haben wir bei einem Sturm vor Norwegen verloren. Ich bringe dir dein Schiff wohlbehalten zurück.«
»Willkommen, Sohn, im Namen Thors, unseres lieben Freundes. Willkommen unter dem Dach deines Vaters!« Obwohl Erik den zweiten Knorr im Blickfeld hatte, erwähnte er ihn mit keinem Wort. »Du darfst jetzt deine Mutter begrüßen.«
Mit schnellen Schritten war Leif bei ihr und hob sie aus dem Sattel. Thjodhild umarmte ihn, wollte ihn küssen, ließ es aber, dafür strich sie leicht über sein Haar. »Mein Junge. Ich bin so froh.«
Erik sah auf Tyrkir hinab und seine Mundwinkel zuckten. »Willkommen, Schlaukopf. Warum so spät? Hast du zwischendurch den Kurs verloren?«
»Ist das die Begrüßung für einen Herrn? Ehe du nicht absteigst, sage ich gar nichts.«
»Den Ton habe ich vermisst.« Lachend schwang sich der Hüne vom Pferd und legte dem Freund beide Hände auf die Schultern. »Bis auf die viele Arbeit war es beinah langweilig ohne dich und so trocken, weil der Vorrat von deinem Gebräu ausgetrunken ist.«
»Wer meinen Beerenwein verachtet, der ist es auch nicht wert, vom besten Met zu kosten. Zehn Schläuche habe ich aus Norwegen mitgebracht und ich denke gar nicht daran, diesen guten Tropfen mit dir zu teilen.«
»Das wagst du nicht, Schlaukopf!«
»Schluss, ihr beiden!«, mischte sich Thjodhild ein. »Ehe ihr wieder da beginnt, wo ihr aufgehört habt, verlange ich mein Recht.« Sie streckte Tyrkir die Hand hin. »Mein Haus war leer ohne dich.«
Er spürte
Weitere Kostenlose Bücher