Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Glück …«
»Es ist doch ein Sohn. Oder?«
»Du weißt es schon?«, fragte Thorbjörn beinah enttäuscht.
»Im ganzen Tal erzählt man von nichts anderem.« Erik hielt es nicht länger. »Wie geht es meiner Frau? Wo ist das Kind? Ich muss sie sehen. Jetzt gleich.«
»Dann folgt mir.« Der Graubärtige führte die Freunde zur Sauna hinter dem Wohngebäude, ließ dem jungen Vater den Vortritt und blieb mit Tyrkir am Eingang stehen.
Thjodhild saß der Mutter gegenüber, sie hielt einen Wollstrang straff zwischen den Unterarmen, schaukelte ihn gleichmäßig hin und her, während Thorbjörg Schiffsbrust den Faden zum Knäuel wickelte.
»Frau«, sagte der Rote leise. Sie blickte zu ihm auf, in der ersten Freude erhob sie sich halb, war aber durch den Wollstrang behindert und sank zurück. »Du musst dich schon zu mir beugen, Erik!«
Er zögerte, sah auf die Schwiegermutter, sah zu den Männern am Eingang und verdeckte ihnen den Blick mit seinem Rücken. So neigte er sich über Thjodhild, küsste ihr Haar, die Stirn und presste seine Lippen auf ihren weichen Mund.
Wie sehr du mir gefehlt hast, dachte sie, auch wenn dein Geruch nach Reise und altem Schweiß mir den Atem nimmt, ich liebe ihn. Sie bog den Kopf zurück und sah in die bernsteinfarbenen Augen. »Warten konnte ich nicht. Seit zwanzig Nächten sind wir schon zu dritt.«
Erik folgte ihrem Blick zur Wiege. »Zeig ihn mir!«
»Wartet!«, unterbrach die Schwiegermutter energisch. »Es muss seine Ordnung haben. Eher erlaube ich nicht, dass du ihm den Sohn gibst.« Mit dem Knäuel in der Hand schob sie Erik beiseite und befreite die Tochter von dem Wollstrang. »Sag deinem Mann, er soll sich wenigstens Gesicht und Arme waschen!«
»Sie hat Recht.« In Thjodhilds Mundwinkeln zuckte es. »Die Nase deines Sohnes ist noch empfindsam.« Gleich hielt sie Eriks Hand fest und raunte: »Verrate mir vorher rasch den Namen!«
Da richtete sich der Vater auf. »Wenn ich warten muss.« Er grinste jungenhaft. »Dann musst du es eben auch.« Mit langen Schritten verließ er die Stube und Tyrkir humpelte hinter ihm her.
Draußen am Wasserbottich tauchten beide die Köpfe unter, rieben Hals und Arme, bis sie fanden, dass der Reinlichkeit genug geopfert war.
Bei ihrer Rückkehr stand die Wiege inmitten des Vorraums. Auf dem Boden rund um das Kind flackerten Öllichter. Tyrkir stellte sich außerhalb des Lichtrings zur Mutter und den Großeltern.
Deutlich war Erik anzumerken, wie ihm jäh der Ernst des Augenblicks bewusst wurde. Er allein hatte die Pflicht und das Recht, dieses Kind in die Gemeinschaft der Familie aufzunehmen oder es zu verstoßen. Bei Missbildung, oft auch aus wirtschaftlicher Not konnte ein Vater das Neugeborene ablehnen und es den Tieren der Wildnis überlassen.
An diese Möglichkeit aber dachte jetzt niemand, als Erik in den Kreis trat und sich über die Wiege beugte. Seine Lippen bebten beim Anblick des nackten Sohnes. Mit der Fingerkuppe berührte er die Händchen, die kleinen Füße und strich über den Hodensack und das winzige Glied. »Du sollst zu mir gehören!«
In seiner Ruhe gestört antwortete der Kleine mit ärgerlichem Gezeter.
Außerhalb des Kreises beobachtete Tyrkir verstohlen die Mutter. Wie gern ich in ihrer Nähe bin, stellte er überrascht fest, vorher war es mir nicht aufgefallen, aber jetzt nach der Trennung … Sofort unterdrückte er den Gedanken. Zu spät, als hätte sie Wärme neben sich verspürt, wandte Thjodhild den Kopf, begegnete verwundert den dunklen Augen und blickte wieder zum Vater ihres Kindes.
Mit beiden Händen hob Erik den Jungen über seinen Kopf und streckte ihn dem Himmel entgegen. »Luft, Feuer, Sonne und Wasser, ihr großen Gewalten, hier biete ich euch meinen Sohn Leif. Nehmt ihn an, seid, so lange er lebt, seine mächtigen Beschützer und Freunde!«
Aus Protest gegen die unbequeme Lage schrie Leif und strampelte, nicht genug, der kleine Hahn bog sich auf und ein heller Strahl nässte dem Vater Gesicht und Bart. Kaum schmeckte Erik den Saft, rief er voll Stolz: »Willkommen! Ja, du bist mein Sohn!«
Thorbjörg drückte die Hand ihres Mannes. »Ein gutes Omen«, raunte sie und rieb seufzend eine der schweren Brüste an seinen Arm.
Der Vater hielt das rosige, schreiende Menschlein vor sich auf den großen Handtellern. Ruhig trat die Mutter jetzt zu den beiden in den Lichterkranz. Erik überreichte ihr das Kind, sie wiegte es auf den Armen und summte, bis Leif sich beruhigte, dann stellte sie ihm mit
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