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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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glaubst du, wie die Männer über uns reden?«
    Gleich nach ihrer Ankunft auf der Ochseninsel hatten Erik und Tyrkir mit der Arbeit begonnen. Vier Tage gönnten sie sich selbst und dem Gesinde keine Pause. Nahe dem Bach wurden tiefe Gräben gezogen und mit Steinen aufgefüllt. »Kein Sturm soll unserem Wohnhaus etwas anhaben können«, hatte der Bauherr gestern beinah feierlich verkündet, als er die Grundrisse abschritt. »Erikshof! Hier werden wir alt, mein Freund. Und hier wird auch Leif mit seinen Söhnen alt werden.«
    Heute beim ersten Tageslicht hatte Erik seine Mägde und Sklaven losgeschickt, sie sollten vom Strand alles Treibholz zur Baustelle auf der Wiesenterrasse schaffen, und war jetzt mit Tyrkir und vier Bootsknechten unterwegs durch die Riffe und Inseln. »Bin gespannt, wie unsere Pferde aussehen«, rief er dem Freund von der Pinne aus zu.
    »Fette Bäuche werden sie haben!«
    »Dann beiß ich dem Thorgest die Ohren ab.«
    Ein frischer, heller Aprilmorgen spannte sich über das Gebirge der Halbinsel. Hier auf der Nordseite drückte der Wind zu scharf vom Fjord und das Reittier des Meeres näherte sich mit wenig Tuch nur langsam dem Ufer.
    »Zuerst Bauholz und Hausrat, damit’s weitergeht! Die Gäule holen wir später.«
    »Bis dahin solltest du besser dem Bauern vom Breidahof die Ohren lassen.«
    »Ja, ja, Schlaukopf!«, fuhr ihn Erik an. »Wenn ich dich höre, frag ich mich, wer von uns beiden der Sklave ist.«
    »Ich weiß es.« Tyrkir verneigte sich schuldbewusst. »Mein Herr und Beschützer.«
    Nur einen Moment gelang es beiden, ernst zu bleiben. Hoffnung erfüllte sie und kein Wort wurde auf die Waagschale gelegt. Der Winter war vorbei. Was so lange geplant, im Kleinen schon gebaut war, sollte endlich Wirklichkeit werden.
    Das Schiff lief in die Bucht ein. Erik ankerte an derselben Stelle wie im vergangenen Sommer. »Spitzklipp«, brummte er vor sich hin, während sie ihren alten Lagerplatz zwischen den drei Steilhügeln überquerten. »Nicht zu glauben, wenn ich an unser Spitzklipp im Norden denke.«
    »Die Götter haben für uns die Gegend getauscht. Ein gutes Omen!«
    »Was?« Erik atmete tief. »Ja, du hast Recht, die Vorsehung meint es gut mit uns.«
    Jenseits der Uferstraße folgten sie dem Weg durch die leicht ansteigenden Wiesen, noch zeigte sich kein Grün unter dem bräunlichen, von der Schneeschmelze abgeleckten Welkgras.
    Ein Holzgatter versperrte den Zutritt zum weit umzäunten Gelände. Tyrkir rief, wartete, rief lauter, doch kein Knecht, keine Magd kam, um die Besucher zu begrüßen. Nichts rührte sich, weder bei den vier Lagerhallen noch auf dem Vorplatz, lediglich die Rauchsäule über dem Haupthaus zeigte, dass Breidahof bewohnt war. »Begreifst du das?«
    Erik wandte sich um. Die Sicht war frei bis hinunter zur Uferstraße. »Hier kommt keiner rauf, den man nicht schon lange vorher entdeckt hat.«
    Unbehagen. Tyrkir spürte es bis in den Nacken steigen und sah Erik an.
    Auch die Miene des Freundes hatte sich verändert. »Vielleicht der Fleckentod? Über Winter kommt er gern und holt alle weg.«
    In diesem Moment schwang die Tür des Wohnhauses auf. Wütendes Gebell zerriss die Stille! Drei große struppige Hunde stürzten ins Freie, bellten und hetzten über den Vorplatz. Schon waren sie am schulterhohen Gatter, sprangen gegen die Bretter, Zähnefletschen, Knurren und wieder Bellen. Ein scharfer Pfiff rief sie zurück.
    »Was wollt ihr?« Auf halbem Weg war Thorgest stehen geblieben und verschränkte die Arme.
    »Was wir wollen?« Erik schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Sag bloß, du kennst mich nicht mehr?«
    Wie einen Fremden lauerte der Bauer ihn an, kam Schritt für Schritt näher, erst kurz vor dem Gatter entblößte er die untere Zahnreihe und stieß ein kehliges Lachen aus. »Der Rote. Jetzt weiß ich’s wieder. Sieh an, der Rote!«
    »Ich bin dein neuer Nachbar. Hast du das vergessen?«
    Thorgest ging nicht darauf ein, aus dem Lachen geriet er in Husten, keuchte ausgiebig, sammelte den Schleim auf der Zunge, ehe er ihn gegen das Gatter spuckte.
    Verblüfft drohte ihm Erik mit der Faust. »He, was soll das?«
    »War nicht so gemeint.« Das Grinsen erstarrte. »Hab inzwischen viel von dir gehört. Mein Vetter aus dem Habichtstal war hier.«
    Tyrkir hielt den Atem an. Welches Spiel spielte dieser Kerl? Aus den Augenwinkeln sah er, wie Erik die Faust öffnete und sich durchs Haar fuhr. »Ist mir gleich. Ich hab mich ans Urteil gehalten, damit soll’s

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