Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
ist, muss sie es ausleeren. Und nur in dieser Zeit fallen die giftigen Tropfen auf Lokis Gesicht. Dann aber windet er sich und zuckt so wild, dass die Erde erzittert.«
Jeder in der Halle hing seinen Gedanken nach. Tyrkir wartete, ehe er heftig die Hände zusammenschlug und mit den Füßen stampfte. »Erdbeben! Jetzt wisst ihr, warum es Erdbeben gibt!«
Der Bann war gebrochen. Mit Jubel bedankten sich die Zuhörer, rüttelten an den Tischen, dass Lampen und Bierkannen wie bei einem Erdstoß schwankten.
Erik sprang auf, winkte den Freund zu sich und umarmte ihn. »Ach, Schlaukopf!« Stolz führte er ihn den reichen Gutsherren vor. »Seht her, das ist mein Verwalter!«
Thorbjörn sah es schmunzelnd. »Werte Nachbarn und Verwandte! Ich denke, Lob allein ist zu wenig. Unser Geschichtenerzähler soll bis zum Ende des Festes näher zu uns rücken, auch wenn er nur ein Sklave ist.« Ohne das Einverständnis abzuwarten, wies er Tyrkir den Platz neben Erik und dem Schwiegervater auf der Ehrenbank zu.
Dampfender Fisch wurde von den Mägden aus der Küche hereingetragen und schnell verloren sich die Gespräche in genussvollem Schmatzen.
Bis auf Kopf und Schwanz hatte Erik seinen ersten Fisch verschlungen. Er stieß den Freund an und zeigte mit der Gräte zu Askel hinüber. »Weißt du«, brummte er. »So einen wie den … Ach was, ich scher mich nicht drum.«
DER SCHNEEFELSGLETSCHER
I ch will zu ihm!« Thjodhild war mit Hallweig auf einem Spaziergang oberhalb des Warmquellhangs und zeigte zum Schneefelsgletscher.
»Du darfst ihn nicht bedrängen.« Die Freundin beschattete ihre Augen. Nebelmäntel hingen um den lang gestreckten Gipfelrücken. »Erst wenn er sich ganz ausgezogen hat, empfängt er Besucher.« Sie zwinkerte. »Darin ist er wie ein eitler Mann.«
»So einer ist mir noch nicht begegnet.« Thjodhild schmunzelte. »Nein, im Ernst, ich bin schon froh, dass wir den Gletscher endlich wieder sehen können.«
Vor Wochen war der Berg zum ersten Mal aus der langen Winternacht aufgetaucht, nur schemenhaft in den Wolken, nur für wenige Augenblicke. Dann, am Tag, an dem Erik mit Tyrkir, den Knechten und Mägden abgesegelt war, erstrahlten schon die beiden Höcker im Sonnenlicht, als hätte der Schneefels zum Lebewohl seine Kronen aufgesetzt.
Thjodhilds Gedanken eilten übers Gebirge zur Nordseite. Sicher hat Erik inzwischen unsere Insel erreicht. Wie der neue Hof aussehen würde, wusste sie. Während der langen Dunkelheit hatte Tyrkir nach Eriks Vorstellungen das Wohngebäude, die Ställe und Scheunen, ja sogar ein Frauenhaus gleich neben der Sauna aus Holzresten gefertigt, selbst die Dächer waren mit Grassoden bedeckt und im Hof gab es Hühner und Schafe. Eine kleine, friedvolle Welt auf einem Tisch. »Nur Spielzeug für Leif, sobald er gewachsen ist«, hatten die beiden versucht, ihr Kunstwerk abzutun, und konnten Stolz und Ungeduld kaum verbergen.
Leise sagte Thjodhild: »Jetzt ist die Zeit gekommen, Hallweig. Wenn es stimmt, dass vom Schneefels geheimnisvolle Kraft ausgeht, dann muss ich bald zu ihm hinauf. Wir benötigen das Glück!«
»Wer weiß schon, ob es stimmt, was die Leute erzählen? Besser, du verlässt dich auf deine Männer!«
»Die kommen an erster Stelle.« Thjodhild blickte wieder zum Gletscher. »Weißt du, so ein wenig Unterstützung von ihm würde mir schon genügen. Und ich fühle, nein, bin ganz sicher, dass er mir gutgesinnt ist.«
Hallweig fasste unter ihre linke Brust, als sie den Blick der Freundin bemerkte, lächelte sie: »Sorg dich nicht! Im Moment geht es mir gut. Ich dachte nur, vielleicht sollte ich dich begleiten. Wenn mir Kräuter und Zaubersprüche nicht helfen, vielleicht kann der Schneefels meine Not lindern?«
Ja, gemeinsam! Sofort war Thjodhild einverstanden. Sie könnten langsam gehen, und niemand hatte vorgeschrieben, wie hoch der Gletscher zu ersteigen sei, um in den Bann seiner Kraft zu gelangen. »Wann brechen wir auf?«
»Jetzt im April bessert sich das Wetter von Tag zu Tag.« Hallweig zwinkerte wieder. »Ich hab dir doch gesagt, wie eitel er ist. Geben wir ihm noch Zeit bis übermorgen, sich auf unsern Besuch vorzubereiten.«
»Vielleicht sollte Erik mich auch mal so erwarten …« Die Vorstellung gefiel Thjodhild immer mehr. »Verstehst du? Er liegt so da, frisch gewaschen …«
»Sei still!« Hallweig blickte sich um. Obwohl weit und breit kein Lauscher zu entdecken war, senkte sie ihre Stimme: »Nicht, dass uns jemand hört.«
»Na und? Was
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