Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
verweigert er die schuldigen Abgaben. Jarl Hakon genießt das Leben am Hofe zu Trondheim. Er heiratet, jedoch die Gemahlin genügt ihm nicht, getrieben von Gier und Lust sucht er schamlos nach Abenteuern mit anderen Frauen …
… das Jahr 984: Auf Island ist Bischof Frederik mit seinem Begleiter tiefer Schmach und Anfeindungen ausgesetzt. Unerschütterlich aber lässt er durch Thorvald weiter den Verstockten die neue Lehre verkünden. Die beiden frommen Männer wagen sich im Juni sogar auf den Thing. Frederik befiehlt dem Freund vom Gesetzesfelsen aus, die Stimme für Gott den Allmächtigen zu erheben, während er selbst nur stumm dabeisteht. Ungeheuerlich! Beschimpfungen werden in der Versammlung laut. Schließlich lästern zwei Männer offen über den Bischof: In seinem Rock sehe er aus wie ein Weib und sicher habe er sich von Thorvald neun Kinder zeugen lassen! Das ist zu viel für den rechtschaffenen Freund und er tötet die Schandmäuler vor aller Augen. Die Missionare müssen sich verstecken. Zweihundert Männer ziehen aus, um den Bischof und Thorvald in ihrer Behausung auszuräuchern. Ehe sie ans Ziel gelangen, flattert ein Schwarm Vögel um die Köpfe der Pferde. Die Reiter werden abgeworfen, brechen sich Arme und Beine, verletzen sich an den eigenen Waffen und lassen vom Mordplan ab.
… das Jahr 985: Im Frühjahr geben Bischof Frederik und sein Freund auf, sie besteigen den ersten Fernsegler nach Osten. Der Versuch, das Christentum auf Island einzuführen, ist gescheitert …
DER AUFBRUCH
M it gezücktem Holzschwert hatte Leif den Ausguck erstürmt. Der höchste Platz auf den Basaltbrocken vor dem Wohnhaus des Habichtshofes gehörte ihm allein und die Mutter durfte es nicht wagen, dem kleineren Bruder so weit hinaufzuhelfen. Er ließ die Waffe über dem Kopf kreisen. »Ich bin groß!« Der Westwind zerrte an den rotgoldenen Locken. Triumph leuchtete im Blick der blauen Augen. »Mir gehört alles.« Leif beherrschte die tiefer gelegenen Hauswiesen des Großvaters und den Fahrweg, selbst den Fluss betrachtete er als seinen Besitz.
»Wo sind deine Sklaven, Herr?« Demütig blickte Thjodhild zu ihrem Ältesten hoch. Sie hockte auf dem Stein unter ihm und musste den zweijährigen Thorvald von hinten am Wollhemd festhalten, damit er nicht den letzten Anstieg wagte. »Ein Wikinger ohne Gesinde ist kein Herr.«
»Du bist meine Magd!«, strahlte Leif sie an, dann wies er mit der Schwertspitze auf seinen Bruder. »Und der da ist mein Knecht.«
»Willst du Thorvald nicht wenigstens zum Verwalter ernennen? Schließlich feiern wir deinen vierten Geburtstag. Und bei solch einem großen Fest verteilt ein Herr Geschenke.«
Leif krauste die Stirn, kraulte sich bedächtig unter dem Kinn, eine Geste, die er dem graubärtigen Großvater abgeguckt hatte, endlich war der Entschluss gereift. »Na gut. Aber ich schenke ihm nicht die Freiheit, wie Vater es mit Onkel Tyrkir gemacht hat. Er bleibt mein Sklave.«
»Sehr klug. Und nun lass deinen Verwalter zu dir!«
Leif nahm den Bruder in Empfang. Wie einem Hund befahl er ihm, sich neben seine Füße zu setzen und sich nicht zu rühren.
»Seid wachsam!«, bat Thjodhild. »Sobald jemand den Weg heraufkommt, meldet es mir.«
Sie lehnte sich zurück. Bis auf wenige weiße Flecken hatte die Maisonne den Schnee von den steil aufragenden Hängen jenseits der Niederung geschmolzen. Auch der Fluss war stiller geworden, mit Knirschen und Krachen hatte er sich in den letzten Wochen von seiner dick gefrorenen Winterdecke befreit, jetzt trieben nur noch vereinzelte Eisschollen auf dem Wasser.
Vor vier Jahren habe ich Leif geboren, dachte Thjodhild. Anfang Mai, daran konnte sie sich erinnern, das genügte ihr. Nicht aber Thorbjörg Schiffsbrust. »Morgen jährt sich der Tag«, hatte sie gestern verkündet. So mühselig sich die alte Mutter auch inzwischen mit ihrem Stock durch Haus und Stallung bewegte, nach ihr richtete sich nach wie vor das Leben auf dem Habichtshof. »Es war der zehnte Tag nach dem Mondwechsel. Ich weiß es. Schließlich habe ich dir das Kind geholt.«
Warum widersprechen? Auch bei Thorvalds Geburt im April vor zwei Jahren hatte die Mutter sie umsorgt. Das Saunahaus, der Geruch nach Moos und Ölen, ihre beruhigenden Hände, während die Abstände zwischen den Wehen immer kürzer wurden. »So behütet fühlte ich mich«, seufzte Thjodhild.
Und es war richtig, dass der Vater mich nach Hallweigs Tod vom Warmquellhang abgeholt und wieder nach Hause gebracht
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