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Erinnerung an meine traurigen Huren

Erinnerung an meine traurigen Huren

Titel: Erinnerung an meine traurigen Huren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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musste.
    Auf Anweisung der Hausherrin sollte ich jetzt immer über die Straße hinter dem Haus, von der Seite des Aquädukts, kommen, damit mich keiner durch die Gartenpforte eintreten sah. Der Chauffeur warnte mich:    Vorsicht, Gelehrter, in diesem Haus wird getötet. Ich antwortete: Macht nichts, wenn es denn aus Liebe geschieht. Der Hof lag im Finstern, aber in den Fenstern brannte Licht, und aus jedem der sechs Zimmer drang eine andere Musik, ein lebhaftes Potpourri. In meinem erkannte ich in voller Lautstärke die warme Stimme von Pedro Vargas, dem Tenor Amerikas, der einen Bolero von Miguel Matamoros sang. Ich meinte, ich müsse sterben. Mit stockendem Atem stieß ich die Tür auf und sah Delgadina im Bett liegen, ganz wie in meiner Erinnerung: nackt und friedlich auf der Seite des Herzens schlafend.
    Bevor ich mich ins Bett legte, arrangierte ich den Toilettentisch, ersetzte den verrosteten Ventilator durch den neuen und hängte das Bild so auf, dass sie es vom Bett aus sehen konnte. Ich legte mich an ihre Seite und erkannte alles an ihr wieder. Es war sie, die durch mein Haus wandelte: die gleichen Hände, die mich tastend im Dunkeln erkannten, die gleichen Füße mit dem sanften Tritt, der nicht zu unterscheiden war von dem der Katze, der gleiche Schweißgeruch meiner Laken, der Fingerhutfinger. Unglaublich: Nun, da ich sie leibhaftig vor mir hatte und berührte, erschien sie mir unwirklicher als in meiner Erinnerung.
    Auf der Wand gegenüber hängt ein Bild, sagte ich. Das hat Figurita gemalt, ein Mann, den wir sehr geliebt haben, der beste Bordelltänzer, den es je gegeben hat, und so gutherzig, dass er sogar mit dem Teufel Mitleid hatte. Er hat das Bild mit Schiffsfarbe auf das verkohlte Segeltuch eines Flugzeugs gemalt, das in der Sierra Nevada von Santa Marta zerschellt ist, und mit Pinseln, die er aus den Haaren seines Hundes fertigte. Die Frau auf dem Bild ist eine Nonne, die hat er aus einem Kloster entführt und geheiratet. Ich lasse es hier, damit du es als Erstes beim Aufwachen siehst.
    Sie lag noch immer in derselben Stellung da, als ich um ein Uhr das Licht löschte, und ihr Atem war so schwach, dass ich ihr den Puls fühlte, weil ich das Leben in ihr spüren wollte. Das Blut rann durch ihre Adern, flüssig wie ein Lied, das sich bis in die verstecktesten Winkel ihres Körpers verzweigte und von der Liebe geläutert wieder zum Herzen strömte.
    Bevor ich im Morgengrauen ging, zeichnete ich ihre Handlinien auf ein Papier und gab es dann Diva Sahibi zum Lesen, auf dass ich die Seele der Kleinen kennen lernte. Und heraus kam das: eine Person, die nur sagt, was sie denkt. Im Handarbeiten perfekt. Sie steht in Kontakt mit jemandem, der schon gestorben ist und von dem sie Hilfe erwartet; doch da irrt sie, denn die Hilfe, die sie sucht, ist zum Greifen nah. Sie hat sich noch keinem verbunden, wird aber alt und verheiratet sterben. Jetzt hat sie einen dunkelhaarigen Verehrer, der aber nicht der Mann ihres Lebens sein wird. Sie könnte acht Kinder haben, wird sich aber für nur drei entscheiden. Wenn sie nicht der Vernunft folgt, sondern das tut, was ihr das Herz sagt, wird sie mit fünfunddreißig über viel Geld verfügen und mit vierzig eine Erbschaft antreten. Sie wird viel reisen. Sie hat zwei Leben und ein zweifaches Glück und kann auf ihr Schicksal Einfluss nehmen. Aus Neugier probiert sie gern alles aus, wird es aber bereuen, wenn sie dabei nicht auf ihr Herz hört.
    Von Liebe gemartert ließ ich die Verwüstungen des Sturms reparieren und nutzte die Gelegenheit, um etliche Ausbesserungen vorzunehmen, die ich aus Geldmangel oder Nachlässigkeit seit Jahren aufgeschoben hatte. Ich ordnete die Bibliothek neu, und zwar in der Reihenfolge, in der ich die Bücher gelesen hatte. Zum Schluss ließ ich das Pianola mit den gut hundert Notenrollen klassischer Musik als historische Reliquie versteigern und kaufte mir einen Plattenspieler, der zwar gebraucht, aber besser als mein alter war, dazu Hi-Fi-Lautsprecher, die das Haus weiträumiger machten. Ich war am Rand der Pleite, jedoch bestens entschädigt durch das Wunder, in meinem Alter noch lebendig zu sein.
    Das Haus war aus der Asche auferstanden, und ich schwebte in Delgadinas Liebe, so erfüllt und glückselig, wie ich es in meinem bisherigen Leben nicht gekannt hatte. Ihr verdankte ich, dass ich als Neunzigjähriger zum ersten Mal mit meinem natürlichen Wesen konfrontiert wurde. Ich entdeckte, dass meine Obsession, jedes Ding an seinem Platz,

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