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Erinnerung an meine traurigen Huren

Erinnerung an meine traurigen Huren

Titel: Erinnerung an meine traurigen Huren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Schütze. Es beunruhigte mich, dass sie so irdisch war, Geburtstag zu haben. Was sollte ich ihr schenken? Ein Fahrrad, sagte Rosa Cabarcas. Zum Knöpfeannähen muss sie zweimal täglich quer durch die Stadt. Sie zeigte mir im Schuppen das Fahrrad, das Delgadina benutzte, und ich fand das klapprige Gestell tatsächlich einer so innig geliebten Frau unwürdig. Aber es rührte mich als greifbarer Beweis für Delgadinas Existenz im wirklichen Leben.
    Als ich für sie das denkbar beste Fahrrad kaufen ging, konnte ich nicht der Versuchung widerstehen, es selbst auszuprobieren, und drehte ein paar müßige Runden in der Einfahrt des Geschäfts. Dem Verkäufer, der nach meinem Alter fragte, sagte ich mit der Koketterie des Greises: Demnächst werde ich einundneunzig. Der Angestellte sagte genau das, was ich wollte: Sie sehen aber zwanzig Jahre jünger aus. Ich begriff selbst nicht, wie mir die Übung aus der Schulzeit erhalten geblieben war, und fühlte mich von strahlendem Übermut erfüllt. Ich begann zu singen. Erst leise vor mich hin, dann aus voller Kehle, mit dem Gehabe des großen Caruso, zwischen den farbig wuchernden Basaren und dem wahnwitzigen Verkehr am öffentlichen Markt. Die Leute schauten mir amüsiert zu, feuerten mich an und forderten mich auf, im Rollstuhl am Kolumbien-Rennen teilzunehmen. Wie ein glücklicher Seemann winkte ich ihnen zu und sang weiter. In jener Woche schrieb ich, dem Dezember zu Ehren, eine weitere kecke Glosse: Wie man mit neunzig auf dem Fahrrad glücklich wird.
    Am Abend ihres Geburtstags sang ich Delgadina das vollständige Lied vor und küsste sie am ganzen Körper, bis ich außer Atem war: das Rückgrat, Wirbel um Wirbel, bis zu dem schmachtenden Gesäß, die Seite mit dem Muttermal und die ihres unermüdlichen Herzens. Indes ich sie küsste, wurde ihr Körper heißer und verströmte einen wilden Duft. Sie antwortete mir mit immer neuem Beben auf jedem Zollbreit ihrer Haut, und jedes Mal fand ich eine andere Wärme, einen besonderen Geschmack vor, ein neues Stöhnen, das ganze Geschöpf hallte im Innern wider wie bei einem Arpeggio, und ohne berührt zu werden, blühten ihre Brüstchen auf. Im Morgengrauen, als ich fast eingenickt war, fuhr mir vom Meer her ein Raunen wie von Menschenmassen und die Panik der Bäume durchs Herz. Ich ging ins Badezimmer und schrieb auf den Spiegel: Delgadina, mein Leben, die Weihnachtswinde sind da.
    Zu meinen glücklichsten Erinnerungen gehört eine Verstörung, die ich an einem Morgen wie jenem beim Verlassen der Schule spürte. Was ist mit mir los? Ach, Junge, sagte die Lehrerin beschwingt, merkst du denn nicht, dass es die Winde sind? Achtzig Jahre später spürte ich Vergleichbares, als ich in Del-gadinas Bett erwachte, und wieder war es der Dezember, der pünktlich mit seinen klaren Himmeln kam, den Sandstürmen, den durch die Straßen streunenden Wirbelwinden, die Häuser abdeckten und den Schülerinnen die Röcke hochwehten. Die Stadt wurde zu einem gespenstischen Resonanzboden. In windigen Nächten war bis hinauf in die höher liegenden Viertel das Geschrei vom Markt zu hören, als wäre er gleich um die Ecke. Nicht selten erlaubten uns die Böen, unsere Freunde, die sich in abgelegenen Bordellen aufhielten, über ihre Stimmen zu orten.
    Mit den Dezemberwinden erreichte mich aber auch die schlechte Nachricht, dass Delga-dina nicht mit mir, sondern mit ihrer Familie Weihnachten verbringen würde. Wenn ich etwas auf dieser Welt hasse, dann sind es die obligatorischen Feste, auf denen die Leute weinen, -weil sie fröhlich sind, das Feuerwerk, die einfältigen Weihnachtslieder, die Girlanden aus Krepppapier, die nichts mit einem Kind zu tun haben, das vor zweitausend Jahren in einem ärmlichen Stall geboren wurde. Am Heiligen Abend konnte ich der Sehnsucht jedoch nicht widerstehen und begab mich in das leere Zimmer. Ich schlief fest und wachte neben einem Plüschbären auf, der wie ein Eisbär auf zwei Beinen stand; auf dem beiliegenden Kärtchen stand: Für den hässlichen Papa. Rosa Cabarcas hatte mir erzählt, Delgadina lerne anhand meiner auf den Spiegel geschriebenen Lektionen lesen, und ich bewunderte ihre gute Schrift. Doch Rosa enttäuschte mich dann mit der schlimmen Mitteilung, dass der Bär ein Geschenk von ihr sei, also blieb ich Silvester daheim, legte mich um acht ins Bett und schlief ohne Bitterkeit ein. Ich war glücklich, weil ich Schlag zwölf unter dem wütenden Hall der Glocken, den Sirenen der Fabriken und der Feuerwehr,

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