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Erinnerung an meine traurigen Huren

Erinnerung an meine traurigen Huren

Titel: Erinnerung an meine traurigen Huren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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dem Heulen der Schiffe, den Böllerschüssen und Raketen spürte, wie Delgadina auf Zehenspitzen in mein Zimmer trat, sich zu mir legte und mir einen Kuss gab. Der war so wirklich, dass mir ihr Lakritzgeruch auf den Lippen blieb.

4
    Im neuen Jahr lernten wir uns allmählich so gut kennen, als lebten wir wach zusammen, denn ich hatte eine behutsame Stimmlage gefunden, auf die sie ohne aufzuwachen hörte und mit der natürlichen Sprache des Körpers antwortete. Ihre jeweilige Gemütsverfassung war daran zu erkennen, wie sie schlief. Von der reizbaren Erschöpfung des Anfangs fand sie zu einem inneren Frieden, der ihr Gesicht verschönte und ihren Schlaf bereicherte. Ich erzählte ihr mein Leben und las ihr die Entwürfe meiner Sonntagsglossen vor, in denen sie unausgesprochen gegenwärtig war, sie allein.
    In jener Zeit legte ich ihr einmal ein Paar Smaragdohrringe, die meiner Mutter gehört hatten, aufs Kopfkissen. Sie trug sie beim nächsten Stelldichein, und sie standen ihr nicht. Später brachte ich ihr welche, die besser zu ihrer Hautfarbe passten. Ich erklärte ihr: Die ersten standen dir nicht so gut, eine Frage des Typs und des Haarschnitts. Diese werden dich besser kleiden. Zu den zwei nächsten Treffen trug sie weder die einen noch die anderen Ohrringe, aber beim dritten Mal hatte sie diejenigen angelegt, die ich ihr empfohlen hatte. Ich begann zu begreifen, dass sie nicht meinen Befehlen gehorchte, aber auf eine Gelegenheit wartete, mir eine Freude zu machen. Inzwischen hatte ich mich so an diese Art von häuslichem Leben gewöhnt, dass ich nicht weiter nackt schlief, sondern den Pyjama aus chinesischer Seide mitbrachte, den ich nicht mehr getragen hatte, weil es niemanden gab, für den ich ihn hätte ausziehen können.
    Ich begann, ihr Der kleine Prinz von Saint-Exupéry vorzulesen, einem französischen Autor, der überall mehr bewundert wird als in Frankreich. Es war das erste Buch, das sie unterhielt, ohne sie zu wecken, und ich musste sogar zwei Tage hintereinander kommen, um es ihr fertig vorzulesen. Wir machten weiter mit den Märchen von Perrault, der Bibel, Tausendundeiner Nacht, in einer desinfizierten Fassung für Kinder, und ich merkte, dass ihr Schlaf je nach ihrem Interesse für die Lektüre unterschiedlich tief war. Wenn ich spürte, dass sie auf den Grund gesunken war, löschte ich das Licht, schloss sie in die Arme und schlief, bis die Hähne krähten.
    Ich fühlte mich so glücklich, dass ich sie sehr sanft auf die Lider küsste, und eines Nachts ging gleichsam ein Leuchten über den Himmel: Sie lächelte zum ersten Mal. Ohne jeden Anlass wälzte sie sich später im Bett herum, wandte mir den Rücken zu und sagte unwillig: Das war Isabel, sie hat die Schnecken zum Weinen gebracht. Erregt von der Hoffnung auf einen Dialog, fragte ich im gleichen Ton: Von wem waren denn die Schnecken? Sie antwortete nicht. Ihre Stimme hatte einen plebejischen Unterton, als sei es nicht die ihre, sondern die einer fremden Person, die sie in sich trug. Jeder Schatten eines Zweifels schwand aus meiner Seele: Schlafend war sie mir lieber.
    Mein einziges Problem war die Katze. Sie zeigte sich appetitlos und menschenscheu, zwei Tage schon lag sie in ihrem gewohnten Winkel und hob nicht einmal den Kopf, schlug aber wie ein verletztes Raubtier mit der Tatze nach mir, als ich sie in ihren Weidenkorb legen wollte, damit Damiana sie zum Tierarzt brächte. Diese wurde kaum mit ihr fertig und schleppte dann das strampelnde Tier in einem Rupfensack ab. Nach einer Weile rief sie mich von der Tierzucht aus an und sagte, es bleibe keine andere Wahl, als die Katze einzuschläfern, und man brauche meine Einwilligung. Warum? Weil sie schon sehr alt ist, sagte Damiana. Zornig dachte ich, dass man dann auch mich bei lebendigem Leibe in einem Katzenkrematorium verbrennen könnte. Ich fühlte mich wehrlos zwischen zwei Feuern: Ich hatte nicht gelernt, die Katze zu mögen, hatte aber auch nicht das Herz, sie töten zu lassen, nur weil sie alt war. Was sagte das Handbuch dazu?
    Der Zwischenfall erschütterte mich derart, dass ich für den Sonntag eine Glosse verfasste: Ist die Katze ein winziger Salontiger? - ein Titel, den ich bei Neruda geklaut hatte. Die Glosse führte wieder zu einer Debatte, und unter den Lesern gab es erneut zwei Fraktionen, für und wider die Katzen. Nach fünf Tagen setzte sich die Meinung durch, es müsse erlaubt sein, eine Katze zu töten, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit vorliege, aber

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