Erinnerung Des Herzens
mich Entscheidungen zu fällen. Die Tatsache, dass wir ein paar Stunden zusammen im Bett verbracht haben, macht dich nicht für mein weiteres Wohlergehen verantwortlich.«
Langsam umklammerte er mit beiden Händen das Revers ihrer Jacke. Sein Zorn und seine Furcht machten ihm mehr zu schaffen, als er es je für möglich gehalten hätte. »Es war mehr als nur ein paar Stunden im Bett, aber das ist ein anderes Problem, mit dem du noch fertigwerden musst. Jetzt aber befindest du dich in der Lage, dass ein verfluchtes Buch dich in echte Gefahr bringt.«
»Wenn ich es je in Betracht gezogen hätte, mich von diesem Auftrag zurückzuziehen, würde das hier meinen Entschluss ins Wanken gebracht haben. Ich laufe nicht vor einer Einschüchterung wie dieser davon.«
»Gut gesagt.« Eve stand auf der Türschwelle. Ihr Haar war ebenso naß wie der Kaschmir-Pullover, den sie nach Travers'
Anruf hastig übergezogen hatte. Obwohl sie sehr blaß war, klang ihre Stimme ruhig und kräftig, als sie ins Haus trat. »Es sieht ganz so aus, als hätten wir irgendjemandem einen furchtbaren Schrecken eingejagt, Julia.«
»Was zum Teufel ist mit dir los?« Paul wirbelte herum und warf ihr einen so bösen Blick zu, wie er es noch nie getan hatte. »Genießt du das hier auch noch? Bereitet es dir Befriedigung, dass irgendjemand deinetwegen dieses Chaos angerichtet hat? Wohin bist du gekommen, Eve, wenn dir deine Eitelkeit, dein Streben nach Unsterblichkeit jeden Preis wert sind?«
Sehr vorsichtig setzte sie sich auf die Seitenlehne des arg mitgenommenen Sofas, zog eine Zigarette hervor und zündete sie an. Wie seltsam, dachte sie. Sie war sich ganz sicher gewesen, dass Victor der einzige Mann war, der sie verletzen konnte, und jetzt war der Schmerz, den die Worte des Mannes ihr zugefügt hatten, der ihr wie ein Sohn war, noch viel größer.
»Es genießen«, sagte sie langsam. »Genieße ich es wirklich, dass mein Eigentum vernichtet wurde, dass man in die Privatsphäre meiner Gäste eingedrungen ist?« Mit einem Seufzer blies sie den Rauch aus. »Nein, das genieße ich nicht. Freue ich mich darüber, dass irgendjemand so außer sich ist bei dem Gedanken, was ich in der Öffentlichkeit über ihn erzählen könnte, dass er das Risiko auf sich nimmt, seine kindische und von vornherein zum Scheitern verurteilte Zerstörungswut derart auszutoben? Ja, ich gebe zu, darüber freue ich mich.«
»Du bist ja auch nicht unmittelbar betroffen.«
»Für Julias und Brandons Sicherheit sorge ich.« Sie stäubte die Asche achtlos auf den Boden. Bei jedem Herzschlag dröhnte ihr Kopf unerträglich. »Travers ist gerade dabei, die Gästezimmer im Hauptgebäude vorzubereiten. Julia, Sie und Ihr Sohn sind uns herzlich willkommen. Sie können dort bleiben, solange Sie möchten. Sie können aber auch hierher zurückkehren, wenn wir das Haus wieder bewohnbar gemacht haben.« Sie schaute hoch und achtete sorgfältig darauf, dass ihr Blick und ihre Stimme völlig neutral blieben. »Selbstverständlich können Sie das ganze Projekt auch fallenlassen.«
Spontan lief Julia zu Eve hinüber. »Ich habe nicht die geringste Absicht das Projekt fallenzulassen. Und Sie auch nicht.«
»Integrität«, sagte Eve lächelnd, »ist eine beneidenswerte Eigenschaft.«
»Blinder Starrsinn nicht«, warf Paul ein. Er warf Julia einen wütenden Blick zu. »Offensichtlich werde ich hier nicht länger gebraucht.«
Eve stand ein wenig schwerfällig auf, als er das Haus verließ. Schweigend beobachtete sie Julia, die ihm nachschaute. »Das männliche Ego«, murmelte sie, als sie das Zimmer durchquerte, um Julia den Arm um die Schultern zu legen. »Ein so zerbrechliches Ding. Ich stelle es mir immer vor als einen riesigen Penis aus dünnem Glas.«
Obwohl sie sich elend fühlte, musste Julia lachen.
»So ist es besser.« Eve bückte sich, hob ein Stück von einer zerbrochenen Vase auf und benutzte es als Aschenbecher. »Er wird zurückkommen, Darling. Er wird sich aufblasen und höchstwahrscheinlich den Beleidigten spielen, aber er ist viel zu fasziniert von Ihnen, um nicht zurückzukommen.« Lächelnd drückte sie die Zigarette aus, dann zuckte sie mit den Schultern und warf den Stummel zusammen mit der Porzellanscherbe zu den anderen Trümmern auf dem Boden. »Glauben Sie, ich weiß nicht, dass Sie zusammen gewesen sind?«
»Ich glaube wirklich nicht ...«
»Nein.« Eve ging zu der offenen Tür. Sie liebte den Regen, der ihr Gesicht kühlte. Sie war an den Punkt gekommen, wo
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