Erinnerung Des Herzens
sie die kleinen Dinge des Lebens richtig schätzen konnte. »Ich habe sofort gesehen, was zwischen Ihnen passiert ist. Und dass Sie mich ruhig und mühelos von meinem ersten Platz in seinem Herzen verdrängt haben.«
»Er war wütend«, sagte Julia. Plötzlich merkte sie, dass ihr der Kopf dröhnte, und sie fing an, die Haarnadeln herauszuziehen.
»Ja, und zu Recht. Ich habe seine Frau in eine schwierige, vielleicht sogar gefährliche Lage gebracht.«
»Kommen Sie herein. Sie werden sich erkälten.« Sie ärgerte sich über Eves amüsiertes Lächeln. »Und ich bin meine eigene Frau.«
»So soll es auch sein.« Entgegenkommend kam Eve ins Zimmer zurück. Es tat ihr gut, diese junge, mutige und temperamentvolle Frau vor sich zu sehen. »Auch wenn man zu einem Mann gehört, muss man seine eigene Frau bleiben. Wie sehr Sie ihn auch lieben mögen oder noch lieben werden, bleiben Sie immer Sie selbst.« Der Schmerz durchzuckte sie so rasch und scharf, dass sie aufschrie und den Handrücken auf ihr linkes Auge preßte. »Was ist los?« Julia war augenblicklich an ihrer Seite und stützte sie. Sie musste Eve halb tragen, um sie zu den Überresten des Sofas zu bringen. »Sie sind krank. Ich rufe einen Arzt.«
»Nein, nein.« Bevor Julia zum Telefon eilen konnte, hielt Eve sie an der Hand fest. »Es ist nur der Streß, Überarbeitung, eine verspätete Schockwirkung oder so etwas. Ich bekomme oft Kopfschmerzen.« Bei dieser maßlosen Untertreibung gelang es ihr beinahe zu lächeln. »Wenn ich ein Glas Wasser haben könnte.«
»Natürlich, sofort.«
Als Julia in der Küche verschwunden war, um nach einem nicht zerbrochenen Glas zu suchen, zog Eve ihre Tabletten aus der Tasche. Der Schmerz trat jetzt öfter auf, wie die Ärzte es vorausgesagt hatten, und er wurde immer stärker. Sie schüttelte zwei Tabletten aus dem Röhrchen, dann zwang sie sich, eine wieder zurückzugeben. Sie wollte der Versuchung nicht nachgeben, die Dosis zu verdoppeln. Noch nicht. Als Julia mit dem Wasser zurückkam, hatte sie das Röhrchen wieder weggesteckt und hielt eine einzige Tablette in ihrer Hand.
Julia hatte auch ein feuchtes, kühles Tuch mitgebracht und legte es, wie sie es auch bei Brandon getan hätte, auf Eves Stirn, als sie die Tablette schluckte.
»Danke. Das tut mir gut.«
»Ruhen Sie sich aus, bis es Ihnen besser geht.« Geduldig versuchte Julia weiter, den Schmerz zu lindern. Sie lächelte, als Eve nach ihrer Hand griff. Irgendwann hatte sich ganz von selbst eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt, eine Verbindung zwischen zwei Frauen, die ein Mann wohl nie begreifen konnte.
»Sie sind ein Trost für mich, Julia. In mehrfacher Hinsicht.« Jetzt war der Schmerz schon fast erträglich geworden.
Aber sie blieb noch mit geschlossenen Augen sitzen. Es war so angenehm, die Kühlung zu genießen, die Julia ihr mit so sanftem Druck gab. »Ich bedauere es sehr, dass unsere Wege sich erst so spät gekreuzt haben. Vergeudete Zeit. Sie werden sich daran erinnern, dass ich einmal gesagt habe, dass das das einzige wäre, was man wirklich zu bereuen hätte.«
»Ich glaube eher, dass niemals wirklich Zeit vergeudet wird. Dass alles dann geschieht, wenn es geschehen soll.«
»Hoffentlich haben Sie recht.« Sie schwieg wieder und überlegte, was sie noch alles zu erledigen hatte. »Ich habe dafür gesorgt, dass Lyle Brandon direkt zum Hauptgebäude bringt. Ich dachte, das wäre Ihnen lieber.«
»Ja, vielen Dank.«
»Es ist nur eine kleine Entschädigung für das, was Ihnen hier widerfahren ist.« Jetzt fühlte sie sich stark genug, um die Augen wieder zu öffnen. »Sie haben nach den Bändern gesehen?«
»Sie sind da.«
Sie nickte nur. »Ich reise Ende der Woche nach Georgia. Wenn ich zurückkomme, werden wir beide unsere Arbeit abschließen.«
»Ich muss noch eine Reihe von Interviews durchführen.«
»Dafür bleibt noch genügend Zeit. Ich möchte nicht, dass Sie sich Sorgen machen, wenn ich nicht hier bin.«
Julia warf einen Blick auf das Chaos um sich herum. »Das ist im Augenblick etwas schwierig.«
»Sie können ganz ruhig sein. Ich weiß, wer es war.«
Julia fuhr hoch, rückte von Eve ab. »Sie wissen es?«
»Ich brauchte nur ein paar Worte mit dem Wächter am Tor zu wechseln.« Sie hatte sich erholt und konnte aufstehen. Zum Abschied legte sie Julia die Hand auf die Schulter. »Haben Sie Vertrauen zu mir. Ich kümmere mich um diese Angelegenheit.«
Wahllos warf Drake Kleidungsstücke in einen Koffer. Frischgebügelte
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