Erinnerung Des Herzens
sieht. Später ...«, sagte sie. Als sie Pauls Wagen erreicht hatten, war sie völlig verwirrt. Es war völlig verrückt, dachte sie, jetzt, wo sie wieder draußen war, heraus aus dem Käfig, wusste sie nicht, was sie als nächstes tun sollte. »Ich sollte ... Ich sollte ihn anrufen. Ich muss ihm erklären ...«
Wieder schwankte sie, dass er sie auffangen musste. Ihm blieb im Augenblick nichts anderes übrig, als sie in den Wagen zu setzen. »Du kannst ihn später anrufen.«
»Später«, wiederholte sie mit geschlossenen Augen.
Da sie nichts weiter sagte, hoffte er, dass sie eingeschlafen wäre. Als er losfuhr, konnte er jedoch sehen, wie sie die Hände im Schoß zusammenballte und wieder öffnete. Er war vorbereitet gewesen auf Tränen, auf wilde Empörung, auf Wut. Aber wohl kein Mann konnte auf diese gefährliche Art von Zerbrechlichkeit vorbereitet sein.
Als Julia das Meer roch, öffnete sie die Augen. Sie war wie betäubt, als wäre sie nach einer langen Krankheit wieder zu sich gekommen. »Wohin fahren wir?«
»Nach Hause.«
Sie preßte die Hand gegen die Stirn. »Zu dir nach Hause?«
»Ja. Ist das irgendwie ein Problem?«
Aber als er zu ihr hinüberschaute, wandte sie sich ab, und er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen. Er bremste so scharf, als er vor dem Haus einparkte, dass sie beide in ihren Sitzen vor und zurück geschleudert wurden. Als er ausgestiegen war, stand auch sie bereits auf den Füßen.
»Wenn du nicht hier sein willst, dann sag mir, wohin du gehen möchtest.«
»Ich kann nirgendwohin gehen.« Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und schaute ihn schmerzerfüllt an. »Und niemanden, zu dem ich gehen könnte. Ich habe nicht geglaubt, dass du - mich hierher bringen würdest, mich hier haben willst. Sie glauben, ich hätte sie umgebracht.« Ihre Hände zitterten so, dass ihre Tasche auf den Boden fiel. Als sie sich nach ihr gebückt hatte, besaß sie kaum noch genügend Kraft, um sich wieder aufzurichten. »Sie glauben, ich hätte sie umgebracht«, wiederholte sie.
»Julia.« Er streckte die Hände nach ihr aus, aber sie zog sich zurück.
»Bitte nicht. Faß mich nicht an. Ich würde selbst das bisschen Stolz, das mir noch geblieben ist, verlieren, wenn du mich anrührst.«
»Zum Teufel damit.« Er nahm sie einfach auf seine Arme. Als er sie ins Haus trug, fing sie an zu schluchzen.
»Sie haben mich in eine Zelle gesperrt. Sie haben mir immer wieder die gleichen Fragen gestellt, und sie haben mich in eine Zelle gesperrt. Sie haben die Tür abgeschlossen und mich dort gelassen. Ich konnte da drinnen kaum Luft bekommen.«
Er preßte die Lippen zusammen, so dass sein Mund zu einer ganz schmalen Linie wurde. Aber gleich darauf flüsterte er ihr beruhigend zu: »Du musst dich ein Weilchen hinlegen, dich ausruhen.«
»Ich werde nie vergessen, wie sie aussah, als ich sie fand. Sie glauben, ich hätte ihr das angetan. Sie werden mich wieder holen, wieder einsperren. Was soll aus Brandon werden?«
»Sie werden dich nicht wieder einsperren.« Er legte sie aufs Bett und nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Sie werden dich nicht wieder einsperren, glaub mir.«
Sie hätte ihm gern geglaubt, aber alles, was sie vor sich sah, war der kleine, vergitterte Raum, in dem sie saß wie in einer Falle. »Laß mich nicht allein. Bitte.« Mit Tränen in den Augen klammerte sie sich an seine Hände. »Küß mich.« Sie zog seinen Kopf zu sich herunter. »Bitte.«
Sie brauchte jetzt keinen Trost. Beruhigende Worte und zärtliches Streicheln waren machtlos gegen ihre Verzweiflung. Sie brauchte Leidenschaft, heiße, wilde Leidenschaft. Hier, bei ihm, konnte sie vergessen, sich nur noch dem Gefühl überlassen. Ihre Augen waren noch immer naß, gezeichnet von Schock und Entsetzen, aber ihr Körper bäumte sich ihm bereits entgegen, als er noch an seinen Kleidern zerrte.
Kein Wort fiel mehr zwischen ihnen. Sie wollte keine Worte mehr hören, selbst das sanfteste hätte sie zum Denken gezwungen. Für diese kurze Zeitspanne wollte sie nur noch fühlen.
Er vergaß, ihre Ängste zu beschwichtigen. Die Frau, die sich da mit ihm über das Bett rollte, kannte keine Ängste mehr. Ihr gieriger Mund und ihre suchenden Finger erregten ihn. Genauso verzweifelt wie sie, zerrte er an ihren Kleidern. Ihre heiße, feuchte Haut zitterte unter seiner Berührung, und er spürte ihren verführerischen Duft.
Die ersten Strahlen des Sonnenuntergangs drangen ins Zimmer. Sie warf sich über ihn. fetzt war ihr Gesicht nicht mehr
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