Erinnerung Des Herzens
helfen.«
»Hallo.« Brandon sah einen großen, hölzern wirkenden Mann mit glänzenden Schuhen vor sich. Wie so viele Erwachsene, die einem Kind gegenüberstanden, machte er ein etwas benebeltes Gesicht und schien sagen zu wollen: Was bist du schon für ein großer Junge.
»Hallo, Brandon. Du brauchst dir gar keine Sorgen zu machen, wir werden alles in Ordnung bringen.«
Paul konnte es nicht länger aushalten. Wie konnte dieser Mann so unbeteiligt bleiben! »Komm her, mein Junge.« Er streckte Brandon seine Hand hin. »Wir wollen nach oben gehen und sehen, was wir anstellen können.«
»Also dann ...« Lincoln setzte sich und schaute sich nicht einmal um, als Brandon die Treppe hinaufkletterte. »Ich denke, wir können anfangen.«
»Es hat dir wirklich gar nichts bedeutet, ihn zu sehen?« fragte Julia ruhig.
Er griff nach seinem perfekt sitzenden Windsor-Schlips- knoten. Er hatte gefürchtet, dass sie ihm eine Szene machen würde. Und natürlich war er darauf vorbereitet. »Julia, wie ich dir schon vor Jahren gesagt habe, kann ich es mir nicht leisten, eine emotionale Bindung aufrechtzuerhalten. Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, dass du reif genug warst, nicht zu Elizabeth zu gehen, bedauere es, dass du zu eigensinnig warst, finanzielle Hilfe von mir anzunehmen, und ich freue mich darüber, dass du beruflich so erfolgreich wurdest, dass du sie nicht mehr benötigst. Ich weiß natürlich, dass ich tief in deiner Schuld stehe, und es tut mir sehr, sehr leid, dass du heute in eine Situation geraten bist, wo du meiner Hilfe bedarfst.«
Sie fing an zu lachen, ein herzliches, nicht im geringsten hysterisches Lachen, das sogar Lincoln verblüffte. Sie ließ sich in einen Sessel fallen. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Du hast dich nicht verändert. Ich war mir nicht darüber im klaren, welche Gefühle beim Wiedersehen mit dir, Lincoln, vielleicht in mir wachgerufen werden könnten. Aber ich habe nicht erwartet, dass sich gar nichts in mir rühren würde.« Sie seufzte ein wenig. »Deshalb wollen wir die Dankbarkeit beiseite lassen und das tun, was getan werden muss. Mein Vater hatte den größten Respekt vor dir als Rechtsanwalt, und da seine Meinung mir immer noch viel bedeutet, biete ich dir eine lückenlose Zusammenarbeit und volles Vertrauen an für die Zeit, die wir brauchen werden, um die Dinge richtigzustellen.«
Lincoln nickte nur. Er wusste gesunden Menschenverstand zu schätzen. »Hast du Eve Benedict getötet?«
Ihre Augen blitzten. Es überraschte ihn, dass ihr Zorn so rasch und so heftig aufflackerte. »Nein. Hast du erwartet, dass ich es zugeben würde, wenn ich es getan hätte?«
»Als Tochter von zwei der besten Rechtsanwälte, mit denen ich je zusammengearbeitet habe, ist dir bekannt, dass es töricht wäre, mich anzulügen, wenn du willst, dass ich dich verteidige. Also dann ...« Er zog einen neuen Schreibblock und einen schwarzen Mont-Blanc-Füllfederhalter hervor. »Ich möchte, dass du mir alles erzählst, was du an dem Tag getan hast, an dem Eve Benedict ermordet wurde, alles, was du gesehen hast, und mir berichtest, mit wem du gesprochen hast.«
Sie gingen alles einmal durch, dann ein zweites Mal. Und schließlich ein drittes Mal, wobei er ihr die entsprechenden Fragen stellte. Er selber sagte wenig dazu, nickte nur manchmal, wenn er sich mit seiner ordentlichen, gut lesbaren Handschrift Notizen machte. Julia stand nur einmal auf, um sein Glas neu zu füllen und sich selber auch etwas zu trinken einzugießen.
»Ich fürchte, ich habe noch nicht viel Zeit gehabt, mich mit den Beweismitteln gegen dich vertraut zu machen. Natürlich habe ich dem District Attorney und dem Untersuchungsbeamten mitgeteilt, dass ich dich in dem Prozess vertreten werde. Es ist mir auch gelungen, bevor ich herkam die Kopien einiger Akten der Staatsanwaltschaft zu bekommen, aber die habe ich in der Maschine nur flüchtig überfliegen können.«
Er legte eine Pause ein und faltete seine Hände im Schoß. Sie erinnerte sich daran, dass er auch früher schon oft so still und in sich gekehrt gewesen war. Dieses Verhalten und seine traurigen Augen hatten ihn für einen romantischen, beeindruckbaren Teenager so anziehend gemacht. Die Gesten waren noch dieselben, aber die Trauer in seinen Augen war dem Ausdruck von Scharfsinn gewichen.
»Julia, bist du sicher, dass du an jenem Nachmittag selber die Tür aufgeschlossen hast?«
»Ja, ich musste haltmachen und meine Schlüssel suchen. Seit dem Einbruch bin ich sehr
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