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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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weinte und sie mir mein Kind wegnahmen.
    Und dann berührte die junge Frau zärtlich mein Gesicht. Ihre Tränen flossen fast ebenso hemmungslos wie meine.
    „Helfen Sie ihr“, flüsterte ich.
    Langsam, fast unmerklich nickte sie.
    Dann überließ sie mich dem Personal. Hatte ich mir das Nicken und den Zuspruch nur eingebildet? Hoffentlich nicht.
    Die Anzeige lautete:
    Tamara, erinnern Sie sich an mich? Es ist achtzehn Jahre her. Sie hatten Hühnchen, ich Fisch. Wir tranken beide Wein. Etwas zu viel. Und dem Käsekuchen konnten wir nicht widerstehen. Das viele Cholesterol. Könnte mein Tod sein. Rufen Sie mich an. 374-555-1092.
    Niemand hätte sich etwas Ungewöhnliches dabei gedacht. Außer Tamara. Eric ging mit besorgtem Blick auf und ab.
    „Woher hast du das?“, fragte Tamara und sah vom Sofa ihres überdimensionierten Hauses außerhalb von San Diego zu ihm auf. Jameson war zurückgekehrt, um seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Er verkaufte die Bar, die ihm gehörte, stieß sein Auto ab, kaufte ein neues unter anderem Namen. Und er traf Vorbereitungen, sein Geld in Sicherheit zu bringen. Das DPI durfte ihn keinesfalls aufspüren. Jetzt musste er leben wie die anderen auch. Im Verborgenen.
    „Eine Vampirin namens Cuyler hat sie entdeckt, den Namen erkannt, uns aufgespürt und sie uns geschickt. Sie dachte, du könntest gemeint sein. Glaubst du, sie hat recht?“
    Tamara nickte langsam. „Natürlich hat sie recht. Das ist von Hilary Garner. Wir haben beim DPI zusammengearbeitet. Ich erinnere mich noch gut an den Abend, wir waren zusammen aus. Ich fuhr allein nach Hause und hatte auch noch einen Platten. Das war die Nacht, in der ich fast …“
    „Ich möchte lieber nicht daran erinnert werden, was in dieser Nacht fast passiert wäre“, sagte Eric. Er kam näher und strich sich mit einer Hand durch das Haar. „Das könnte eine Falle sein, Tamara. Hilary arbeitet immer noch für das DPI.“
    Sie schüttelte heftig den Kopf. „Nein. So etwas würde Hilary nie machen. Und sieh dir diesen letzten Satz an.“ Tamara hielt das Stück Papier hoch. „‚Könnte mein Tod sein.‘ Das hört sich so an, als würde sie es auf den Käsekuchen beziehen, aber das stimmt nicht. Sie will mich nur wissen lassen, dass es dringend ist.“ Sie sah Eric in die Augen. „Ich muss sie anrufen, Liebling. Ich muss.“
    Er senkte den Kopf, und sie war froh darüber, dass er zur Abwechslung einmal nicht widersprach. „Ich hatte schon befürchtet, dass du so etwas sagen würdest.“ Sie sah ihn so lange an, bis er nachgab. Er seufzte schwer und nickte. „Ich richte für alle Fälle was ein. Damit sie den Anruf nicht zurückverfolgen können.“
    Tamara lächelte und gab ihm einen Kuss.
    Jameson lernte seit seiner Verwandlung. Erprobte seine Kraft und Energie. Schärfte seine geistigen Fähigkeiten. Und er war überaus zufrieden mit seinen Fortschritten. Er lief schon fast so schnell wie Eric. Kletterte und hüpfte und sprang fast so geschickt wie Roland. Er konnte sich mit jedem von ihnen unterhalten, ohne einen Laut von sich zu geben. Das war vermutlich der erstaunlichste Aspekt seines neuen Lebens. Und der, an den er sich am schwersten gewöhnen konnte. Er las ihre Gedanken jetzt ebenso mühelos, wie es den anderen gelang. Wenn sie ihre Gedanken nicht abschirmten. Er hatte gelernt, selbst einen geistigen Schutzschild aufzubauen, der jedem Vampir den Zugang verwehren konnte.
    Er hatte erwartet, dass ihm eine gute Mahlzeit fehlen würde, aber seltsamerweise war es nicht so. Seine anderen Sinne waren so ausgeprägt, so viel schärfer als vorher, dass ihn alles mit einer sinnlichen Freude erfüllte. Geräusche und Anblicke, Gerüche und Empfindungen bombardierten ihn unablässig. Die Genüsse von einst wichen im Handumdrehen neuen. Und wurden schnell vergessen.
    Er bedauerte, dass er nicht die Möglichkeit gehabt hatte, seinen Traum von einem „normalen“ sterblichen Leben zu erfüllen. Ein Leben mit einer Familie, einer Frau, vielleicht Kindern. Aber eigentlich stand das ohnehin nie zur Debatte. Er hatte immer gewusst, dass die seltenen Individuen, die das Belladonna-Antigen in sich trugen, eine verkürzte Lebenserwartung hatten. Die wenigsten wurden älter als dreißig. Jameson war jetzt vierunddreißig. Er hatte vor seiner Verwandlung zwar noch keines der bekannten Symptome verspürt, aber vermutlich hätte es nicht mehr lange gedauert. Aus diesem Grund war sein anfänglicher Zorn auf seine besten Freunde längst

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