Erinnerungen der Nacht
Stunden, und sie tat nichts anderes. Suchte, sondierte, streckte ihre geistigen Fühler aus. Er beobachtete die verkrampften Linien um die Mundwinkel und auf der Stirn. Und verspürte den lächerlichen Wunsch, sie zu glätten.
„Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass sie nicht bei dieser Garner in Sicherheit ist“, sagte er. Unglaublich, er versuchte tatsächlich, sie zu trösten. Dass es ihn überhaupt interessierte, wie sehr sie augenblicklich leiden musste. Verdammt, wenn er ihre Qual nicht spüren würde, hätte er sie vielleicht ignorieren können.
„Ich weiß“, antwortete sie mürrisch.
„Tamara meint, Hilary ist ein guter Mensch. Das müssen wir ihr glauben.“
Sie nickte. „Ja.“
Und machte sich erneut Sorgen. Sie hatte Kopfschmerzen, die bis in den Nacken ausstrahlten. Er spürte es. Und diese Schmerzen schwächten sie, wie jeden ihrer Art.
„Du machst dich krank, Angelica.“
Sie drehte sich zu ihm um. So viel Schmerz in ihren Augen. So viel … ah, Gott steh ihm bei … Bedürfnisse .
„Da kann man nichts machen.“
„Du musst etwas dagegen machen. Versuch, nicht das Schlimmste zu denken. Andernfalls bist du so erschöpft, wenn wir sie finden, dass du mir nicht mehr helfen kannst.“
„Sorgen können mich schwächen?“
„Nein, aber die Kopfschmerzen, die sie verursachen.“
Sie zog die Brauen zu einem Stirnrunzeln zusammen. „Stocherst du schon wieder in meinem Verstand rum? Liest meine Gedanken?“
„Nicht absichtlich, nein.“
Ihr neugieriger Blick glitt über sein Gesicht. „Was meinst du damit?“
Jameson holte tief Luft. Er hatte das Thema nicht zur Sprache bringen wollen. Nicht, wo allein das Nachdenken darüber ihn zu einem Paket unerfüllter Sehnsüchte machte. Aber er schuldete ihr eine Erklärung. „Wir haben unser Blut geteilt, Angelica, und das hat dieses Band geschmiedet. Wir haben ein gemeinsames Kind, und das hat dieses Band gestärkt. Und dann hatten wir … Sex.“ Er sah die Erinnerung in ihren Augen leuchten. Wie eine sengende Sonne, ehe sie sich abwandte. „Das schuf eine noch stärkere Verbindung zwischen uns. Wie die zwischen dir und Amber Lily.“ Er schüttelte den Kopf, seufzte schwer und dachte, dass sie vermutlich noch sehr viel abgestoßener sein würde, wenn ihr klar wurde, wie sehr er ein Teil von ihr geworden war. Und sie Teil von ihm. „Ob es mir gefällt oder nicht, ich spüre, wenn du leidest. Ich spüre deine Schmerzen und nehme an, du meine auch.“
„Ja.“
Keine Abscheu in ihrer Stimme. Gar keine. Nur Bestätigung. Er sah sie rasch an, doch sie verzog keine Miene.
„Ich habe sie schon gespürt, bevor wir uns liebten“, flüsterte sie.
Uns liebten?
„Ich spürte sie, als du angeschossen wurdest. Ich wusste, dass du getroffen warst, noch bevor ich die Wunde gesehen habe. Zuerst glaubte ich, die Kugel hätte mich getroffen, aber als ich nachsah, fand ich keine Kugel in mir. Sie war in dir.“
„Und du hast das gespürt?“, fragte er erstaunt.
„Ja, habe ich.“
Er blinzelte und dachte darüber nach. „Dann war dieses Band zwischen uns – was immer es ist – schon damals stark. Der Sex … hat es nur noch mehr verstärkt. Sehr seltsam.“
„Es ist beunruhigend“, sagte sie.
„Und?“, fragte er weiter. „Was spürst du jetzt in mir, Angelica? Ich habe keine Schmerzen, nichts, das dich beunruhigen könnte.“
„Im Moment empfange ich nur Wut von dir, Vampir. Eine in ihrer Intensität beängstigende Wut. Riesig und schwarz und übermächtig.“ Sie hob den Kopf und sah starr geradeaus, als könnte sie seine Wut tatsächlich sehen. „Und ich riskiere die Vermutung, dass diese Wut in dir sich ebenso schwächend auswirken kann wie mein Schmerz.“
Jameson spürte, wie er die Lippen zusammenkniff. „Wahrscheinlich hast du recht.“
„Warum hasst du sie so sehr?“
„Sie haben unsere Tochter, Angelica. Wie kannst du mich da fragen, warum ich sie hasse?“
Sie schüttelte langsam den Kopf. „Nein, das ist nicht alles. Du hast sie schon davor gehasst. In jener Nacht … jener Nacht, als ich dumm genug war und mit diesem Agenten gegangen bin, weil ich seinen Versprechungen glaubte, da hast du sie schon gehasst. Ich habe es in deinen Gedanken gesehen, als du mich warnen wolltest.“
„Und trotzdem bist du mitgegangen.“
„Ja. Und das kannst du mir nicht verzeihen, was? Du kannst nicht vergessen, dass es meine Schuld ist, dass sie unser Kind haben. Meine Schuld, weil ich ihnen ihre Lügen glaubte.“ Sie
Weitere Kostenlose Bücher