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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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nicht? Erst als mein Leben als Sterblicher zu Ende war, konnte ich es wirklich genießen.“
    Ich nickte stumm und gab ihm Zeit weiterzureden.
    „Als du … als du in jener Nacht von mir getrunken hast … Gott, ich hatte keine Ahnung, dass es so sein würde. Ich habe mich nicht einmal gewehrt, Angelica. Weißt du das noch?“
    „Doch“, sagte sie. „Ganz am Schluss.“
    „Das war Ekstase“, flüsterte er. „Ich wollte nicht, dass es aufhört.“
    Ich erinnerte mich. Wie gut ich mich an diese erotische Explosion erinnerte, die mich erfüllte, als ich an seinem Hals nuckelte wie ein Baby. Es hatte mich gleichzeitig erregt und verängstigt und verwirrt. Damals verstand ich das nicht. Ich war nicht sicher, ob ich es heute verstand. Mich erstaunte sein Geständnis jedoch. Konnte er mich wirklich hassen, wo er doch so bereitwillig bei allem mitgemacht hatte?
    „Das ist die Verlockung des Vampirs. Seine Opfer geben sich ihm bereitwillig hin und sterben in einem Sturm der Gefühle, der weit über den körperlichen Orgasmus hinausgeht.“
    „Ja“, flüsterte ich, machte die Augen zu und erinnerte mich, wie ich mich fühlte, als er mir in der vergangenen Nacht, in den frühen Morgenstunden, einen ähnlichen Höhepunkt beschert hatte. Eine Verzückung, die sich nicht mit Worten beschreiben lässt.
    „Darum trinken wir nicht von den Lebenden, Angelica. Es wäre zu leicht, sich gehen zu lassen. Ihnen zu schaden, indem man zu viel nimmt. Wir gönnen uns dieses Hochgefühl nicht, um ihnen nicht zu schaden. Aber das Verlangen ist immer da. Immer.“
    Ich nickte. Denn er hatte recht. Das Verlangen war da. Es brannte in mir. Flüsterte mir zu, dass wir voneinander nehmen könnten, was wir den Lebenden nicht nehmen durften. Flüsterte mir zu, wenn er wirklich meinen Schmerz spüren konnte, dann würde er auch gewiss die Sehnsucht spüren, die mich innerlich auffraß und mich dazu brachte, dass ich mich wieder nach seiner Berührung, seinen Zähnen, seinem Geschmack sehnte.
    Rhiannon hatte mich davor gewarnt. Und wenn wir uns dieser Lust erneut hingaben, würde sie beim nächsten Mal noch stärker werden. Zum ersten Mal begriff ich, welche Macht Drogen über die Süchtigen haben konnten, denen ich einst im städtischen Asyl half. Aber diese Droge war schlimmer. Viel schlimmer.
    Jameson räusperte sich und lenkte seinen Blick auf mich. Sein Kiefer wirkte verkrampft. Leidenschaft brannte in seinen Augen. „Das Schild“, sagte er mit rostiger Stimme. „Petersville, fünf Meilen.“
    „Endlich. Wir sind fast da.“
    „Wir brauchen eine Unterkunft“, fuhr er fort. „Wir sind die ganze Nacht gefahren. Es wird bald dämmern.“
    Unsere Blicke begegneten sich, und ich wusste, er spürte meinen Hunger, denn ich sah dasselbe in seinen Augen. Ich schwor mir, nicht noch einmal schwach zu werden. Schande über mich zu bringen. Er mochte mich nicht und ich ihn nicht. Oh, ja, inzwischen glaubte ich, dass nicht alle seiner Art verflucht waren. Aber er verfluchte sich selbst mit seiner Wut und seinem Hass. Und ich schämte mich so für die Gefühle, die ich für ihn empfand. Fürchtete so sehr, er könnte seinen Schwur beherzigen und es mir wieder ins Gesicht schleudern, sollte ich ihm zeigen, wie sehr ich ihn begehrte.
    Ohne ein Wort darüber zu verlieren, hatte er meine Entscheidung erkannt. Denn in seinen Augen loderte neuerlicher Zorn, und sein Mund wurde noch verkniffener.
    Er hielt bei einem verfallenen, leer stehenden Haus eine Meile hinter den ordentlichen Reihenhäuschen der Gemeinde Petersville. Es war vor längerer Zeit ein bescheidenes Heim gewesen, ein einstöckiges Farmhaus mit quadratischem Grundriss. Und es sah nicht allzu baufällig oder morsch aus. Allerdings waren die Fenster alle eingeschlagen, das Holz grau und verwaschen – es hätte dringend einen Anstrich gebraucht. Er fuhr das Auto nach hinten, damit man es von der Straße aus nicht sehen konnte. Und als er den Motor ausmachte, blieben wir noch einen Moment stumm und angespannt in der Dunkelheit sitzen.
    „Ich denke, wir sollten reingehen“, sagte er schließlich, und ich hörte, wie gepresst seine Stimme klang. „Uns vergewissern, dass es einen Raum gibt, wohin kein Sonnenlicht gelangt, wo wir ruhen können.“
    „Ja.“ Ich öffnete meine Tür, stieg aus und trat auf das trockene, verdörrte Gras, das mir über die bloßen Waden und den Saum des schwarzen Kleids strich, das ich trug. Ich wollte nicht mit ihm in dieses Haus gehen. Ich wollte nicht neben

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