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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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den Blick einen Moment auf den geöffneten Lippen verweilen. Noch konnte er den Hauch seines eigenen Blutes auf ihrer Zunge wittern. Langsam ergab er sich dem Wahnsinn, den nur sie in ihm entfachen konnte. Er senkte den Kopf, bis sein Gesicht, seine Lippen über ihre glatte Wange glitten. Er rieb sich am Wangenknochen entlang, dann an ihrer edlen Stirn. Mit den Lippen knabberte er an dem schmalen, geraden Nasenrücken hinab und tänzelte dann über den schmalen Streifen zarten Fleischs zwischen Nase und Oberlippe.
    Sie gab ein leises Geräusch von sich, ein tiefes, kehliges Schnurren, und legte den Kopf leicht in den Nacken, damit sie die Lippen seinen entgegenstrecken konnte. Roland, der keinerlei Zurückhaltung mehr kannte, akzeptierte ihren Mund wie ein Verhungernder seinen ersten Krümel Essen. Er krallte die Finger in ihr Haar und ließ die Zunge in ihren Mund gleiten. Ihr Geschmack war berauschend, ein Aphrodisiakum. Roland pochte vor Verlangen.
    Sie spürte seine Erregung, drängte sich mit den Hüften an ihn und hauchte seinen Namen als leisen, tiefen Seufzer.
    Roland schob sie von sich und wich zurück, auch wenn es ihn mehr Anstrengung kostete, als hätte er sein ganzes Schloss über den Kopf gehoben. Die Lust in ihm rauschte laut in seinen Ohren, doch er wagte nicht, ihr zu erliegen. Nein. Es wäre zu leicht, mit Rhiannon jegliche Vernunft über Bord zu werfen. Er könnte sich hinreißen lassen zu einer zügellosen Reise der Leidenschaft. Er könnte vergessen, was wichtig war …
    Er könnte den Jungen im Ostflügel vergessen, der sich abermals auf einen Kampf vorbereiten musste, den nicht einmal ein Erwachsener durchmachen sollte. Er könnte den winzigen cimetière im Wald jenseits der Schlossmauer vergessen. Die fünf Gräber, so alt, dass sie längst verschwunden wären, hätte er sie nicht gehegt und gepflegt und die Grabsteine alle paar Jahre durch immer kunstvollere und teurere Stücke ersetzt. Dort lagen seine Mutter, sein Vater und seine drei teuren Brüder unter der kalten Erde, die einst über seinen Wunsch, ein Ritter zu werden, gelacht hatten. In Wahrheit, das wusste er inzwischen, hatten sie nur Angst gehabt, ihr jüngster Bruder könnte in einen blutigen Kampf verwickelt werden. Sie hatten ihn geliebt. Und er hatte ihre Liebe mit Hass und Verrat vergolten und zuletzt mit Abwendung. Nein, das würde er sich niemals verzeihen.
    Am wichtigsten war, dass er nie die Bestie vergaß, die in ihm wohnte. Sie hatte schon in den Tiefen seiner schwarzen Seele gelebt, als er noch ein gewöhnlicher Sterblicher war. Und er musste sie im Zaum halten, denn wenn er ihr jetzt freien Lauf ließ, würde sie nicht wiedergutzumachende Verwüstungen anrichten.
    Rhiannon machte ihn sorglos. Sie brachte den impulsiven, verantwortungslosen Mann ans Licht, der er einst gewesen war. Der töricht genug gewesen war, der Bestie freien Lauf zu lassen. Manchmal brachte sie ihn dazu, dass er das Tier in sich wieder befreien wollte. Dass er ihm die Kontrolle überlassen wollte. Sie erfüllte ihn mit einem Verlangen, neben dem alles andere zur Bedeutungslosigkeit verblasste.
    „Roland, Darling? Was ist denn?“ Rhiannon stand jetzt allein, ein Meter trennte die beiden voneinander. Sie wirkte gefasst, aber er spürte ihre Verwirrung, die unerfüllte Leidenschaft, die sie quälte. „Hör jetzt nicht auf“, flüsterte sie. „Wir müssen Pandora überzeugen …“
    Roland schüttelte sich. Er verspürte nichts anderes als Lust auf sie. Er wollte keine Gefährtin, schon gar keine, die so unbeherrscht und explosiv wie sie war. Allein ihre Gegenwart stellte eine Bedrohung für seine geistige Gesundheit dar.
    Er spürte, wie die riesige Katze den schweren seidigen Körper an sein Bein drückte, zuerst den Kopf, dann den Hals, während sie sich langsam und genüsslich an Rolands Schenkel rieb.
    „Ich glaube, die Katze ist überzeugt, Rhiannon.“ Roland ließ die Hand sinken und kraulte der Raubkatze den Kopf. Sie krümmte sich seiner Berührung entgegen und schnurrte wie ein Automotor.
    „Pandora, du Verräterin! Ich habe dir gesagt, du sollst noch eine Weile warten, bis du Freundschaft schließt!“
    Rolands Brauen schnellten in die Höhe. „Du meinst, sie brauchte gar keine Überzeugung, nur deine Anweisung?“
    Rhiannon schob die Unterlippe, die so prall und feucht aussah wie eine reife Pflaume, ein klein wenig weiter vor als die Oberlippe. „Manchmal muss ich jede Menge Anstrengung auf mich nehmen, damit du dich auf mich

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