Erinnerungen der Nacht
verheilt?“
Sie setzte sich auf die Bettkante, beugte sich zurück, öffnete das Hemd und entblößte Taille, Hüfte und die untere Hälfte einer Brust. „Sie ist verheilt, aber du könntest die Fäden abschneiden. Sie jucken.“
Roland schloss kurz die Augen. Als er sie wieder aufschlug, schien er zu einer Schaufensterpuppe geworden zu sein. Man sah keine Gefühlsregung in seinen Augen. „Natürlich.“ Er fand die Schere auf dem Nachttisch, zog einen Hocker her und setzte sich so darauf, dass er sich mehr oder weniger auf Höhe der Matratze befand. Er berührte mit der Hand die Stelle an ihrer Hüfte und erstarrte. Dann strich er langsam mit den Fingern darüber.
Sie schloss ihre Augen. „Es tut so gut, wenn du mich berührst.“
Er zog die Hand weg und näherte die kleine Schere ihrer Haut. Vorsichtig schnitt er die Fäden durch.
„Es war selbst im Schlaf angenehm. Du hast mich berührt, Roland, oder nicht? Es war kein Traum.“
Er brachte die Arbeit zu Ende, legte die Schere weg und stand auf. „Ich sehe mich auf dem Gelände um.“ Sie spürte, wie frustriert er war. Warum war er nur so fest entschlossen, ihr zu widerstehen?
„Ich begleite dich.“
„Das mache ich lieber allein. Jameson ist bei Eric und Tamara im großen Saal. Du kannst ihn um etwas zum Anziehen bitten. Eric und ich holen dir später einen Teil deiner Sachen.“
Schlagartig wurde sie wütend. „Ich kann meine Sachen selbst holen, Roland. Außerdem habe ich nicht vor, irgendwo zu bleiben, wo ich so eindeutig unerwünscht bin. Vielleicht schlafe ich morgen wieder in meinem Bett.“
Er sagte nichts und verließ wortlos das Zimmer. Rhiannon nahm das Glas vom Nachttisch und warf es gegen die Wand, wo es in tausend Scherben zerschellte.
Sie hörte ein kurzes Lachen, dann sah Tamara durch die Tür herein, durch die Roland gerade hinausgegangen war.
„Du findest meinen Zorn amüsant, Grünschnabel? Wenn er sich gegen dich richten würde, wäre das anders.“
Tamara schüttelte den Kopf und trat ein. „Ich lache nicht über dich, Rhiannon. Sei nicht so empfindlich. Es ist nur so, dass ich wegen Eric auch ein paarmal etwas an die Wand werfen wollte.“
Rhiannon legte den Kopf in den Nacken. „Er kann unmöglich so unerträglich sein wie Roland.“ Sie ging zum Kamin und warf ein Scheit in die fast erloschene Glut.
„Er wollte nicht mit mir schlafen, obwohl wir es uns beide so sehr gewünscht haben, dass wir fast den Verstand verloren hätten“, verriet Tamara ihr.
Rhiannon richtete sich auf, drehte sich jedoch nicht um. „Und was für Gründe hatte er?“
„Er glaubte, ich wäre abgestoßen, wenn ich wüsste, was er ist.“
„Und warst du es?“
„Ich liebe ihn. Es hat eine Weile gedauert, aber schließlich konnte ich ihn davon überzeugen. Hab Geduld mit Roland. Gib nicht auf.“
Rhiannon wirbelte zur jungen Frau herum. „Du glaubst doch nicht, dass ich ihn liebe, oder? Mein Gott, Tamara, ich bin nicht so töricht, dass ich so etwas zulassen würde.“
Tamara lächelte. „Natürlich nicht. Dann möchtest du nur ein Abenteuer?“
Rhiannon schlug die Augen nieder. „Ich will ihn. Daran ist nichts falsch.“ Sie runzelte die Stirn. „Abgesehen von seiner eisernen Sturheit.“
„Hat er dir denn gute Gründe für seine Zurückhaltung genannt?“
Rhiannon schüttelte den Kopf. „Nur einen Unsinn, dass das, was man will, nicht immer gut für einen ist. Ich kenne den wahren Grund. Er glaubt, ich bin nicht gut genug für ihn. Aber ich werde ihn bald eines Besseren belehren.“ Rhiannon durchsuchte das Zimmer nach ihrem Rock, zog Rolands Hemd aus und griff nach einem neuen.
„Warum um alles in der Welt sagst du das?“
„Weil es stimmt.“ Sie fand den Rock, stieg hinein, machte einige Knöpfe zu und steckte die Hemdenzipfel hinein.
„Das ist verrückt. Du bist die attraktivste Frau, die ich je gesehen habe.“
Rhiannon drehte sich zu ihr um. Vielleicht war dieser Grünschnabel doch nicht so schlimm, wie sie anfangs gedacht hatte. „Und du bist unerträglich fröhlich.“
Sie lächelte. „Warum auch nicht? Ich darf die Ewigkeit mit dem Mann verbringen, den ich liebe.“
Rhiannon verdrehte die Augen. „Musst du so menschlich sein?“ Sie suchte nach ihren Schuhen, fand sie, zog sie an. „Sag Roland, dass ich vor Morgengrauen wieder hier bin.“
Sie spürte Tamaras Schrecken nach dieser Ankündigung. „Rhiannon, wohin gehst du?“
„In mein Haus, etwas zum Anziehen holen.“
„Das solltest du nicht.
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