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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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ließ die Hand sinken. „Wir unterhalten uns heute Nacht weiter. Die Sonne berührt schon den Horizont. Du solltest nach unten gehen.“
    Roland schüttelte den Kopf. „Nicht nötig. Ich habe deinen Trank eingenommen.“
    Erics Miene wurde noch finsterer. „Wann?“
    Roland zuckte die Achseln. „Vor einer Stunde. Vielleicht weniger. Was spielt das für eine Rolle?“
    „Aber begreifst du denn nicht … Roland, setz dich. Vergiss deinen Selbsthass und hör mir zu.“ Eric wartete nicht auf Rolands Zustimmung, sondern schubste ihn zu einem Sessel.
    Roland setzte sich, kümmerte sich jedoch nicht weiter darum, was Eric gesagt hatte. Worte konnten nichts an der Wahrheit ändern.
    „Das warst nicht du, du Narr“, brüllte Eric fast. „Das war die Droge. Wenn jemand an diesem Debakel die Schuld trägt, dann ich.“ Er zog einen Stuhl zu Roland und setzte sich ebenfalls. „Die Droge verstärkt aggressives Verhalten. Jedenfalls bei den Tieren, an denen ich die ersten Versuche durchgeführt habe. Als diese Wirkung sich bei mir nicht einstellte, ging ich davon aus, dass Unsterbliche gegen die Nebenwirkung immun wären. Was offensichtlich ein schwerer Fehler war.“
    Roland schüttelte langsam den Kopf. „Du bist ein wahrer Freund, da du versuchst, die Schuld an meinem wahren Charakter auf dich zu nehmen. Es war nicht das Mittel, Eric. Es liegt an mir.“
    „Nein. Roland, denk nach und hör mir zu. Mir hätte klar sein müssen, dass alte Vampire anfälliger für Nebenwirkungen sind als jüngere. So wie sie anderen Elementen gegenüber empfindlicher sind. Sonnenlicht. Schmerz. Begreifst du nicht? Die Droge hat das verursacht.“
    Roland sah Eric starren Blickes an. „Du willst mich wahrlich nicht so sehen, wie ich wirklich bin. Wenn die Droge überhaupt eine Wirkung hatte, dann die, dass sie mich um das letzte bisschen Selbstbeherrschung brachte. Für die Bestie in meinem Innern bin ich allein verantwortlich. Ich kenne sie gut.“
    „Du bist ein verdammter Narr, wenn du das glaubst.“
    Roland stand auf. „Diese Unterhaltung ist sinnlos. Geh nach unten und ruh dich aus, bevor dir die Sonne den Verstand noch mehr austrocknet.“
    „Ich war unten. Ich habe Tamara vor nicht einmal dreißig Minuten runtergebracht. Aber ich habe, wie du, bei Morgengrauen diese Droge genommen. Ich hatte gedacht, wir wechseln uns mit den Tagschichten ab. Und dieses Gespräch ist nicht sinnlos. Es ist durchaus sinnvoll, und wenn du nicht so verbohrt wärst, würdest du das auch einsehen.“
    Roland ertrug Erics Erklärungsversuche nicht mehr. Er wollte in den großen Saal gehen. Aber sein hartnäckiger Freund folgte ihm auf dem Fuß. Bei der ausgetretenen Treppe angekommen, drehte Roland sich um. „Wenn du mein Schloss bewachen willst, jederzeit gern. Aber hör auf, mir auf Schritt und Tritt zu folgen, Eric. Ich muss eine Weile allein sein.“
    Roland lief die Treppe hinauf. Zum Glück blieb Eric unten.
    Er passierte den zweiten Stock und den Eingang von Jameys Zimmer. Und ging weiter, am dritten Stock und den verfallenen Kammern vorbei, die seit seinen Tagen als Sterblicher nicht mehr benutzt wurden. Die Treppe endete an einer schweren Holztür, die Roland öffnete. Er betrat die Waffenkammer, einen großen runden Raum ohne Fenster. Drinnen herrschte undurchdringliche Schwärze, aber er konnte deutlich sehen.
    Rüstungen standen wie verstaubte Gespenster an der Wand und schienen ihn mit ihren leeren Gesichtern vorwurfsvoll anzusehen. Wohlverdient, dachte Roland. Schwerter, deren rostige Klingen deutlich zeigten, wie sehr der Zahn der Zeit an ihnen genagt hatte, hingen an den Steinen. Ihre kostbar geschmückten Scheiden konnte man im Staub kaum erkennen. In einem Abschnitt säumten inzwischen vermutlich unbrauchbar gewordene Armbrüste den Boden. In einem kleinen Holzkästchen standen die zugehörigen Pfeile. Hunderte, dicht gedrängt wie die Borsten eines Stachelschweins. Schilde, deren Oberflächen das verblasste Wappen der Familie Courtemanche zeigten, lehnten an den Wänden.
    Roland verspürte die bittere Ironie, als er den schwarzen angreifenden Löwen mit den gebleckten Zähnen auf rotem Grund erblickte.
    Die Bestie und das Blut. Wie passend.
    Er riss den Blick von den grimmigen Zeugen seiner Vergangenheit, seiner Familie los und ging zu der Leiter am anderen Ende des Raums. Oben angekommen, öffnete er eine Falltür und kletterte ins Turmzimmer. Er fand die langen Streichhölzer auf dem Tisch, wo er sie zurückgelassen hatte, und

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