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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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seinen Geist entzünden. „Mit einer anderen wirst du nie haben, was du mit mir hättest haben können.“
    Sein Hals wurde trocken. „Das weiß ich.“
    „Dann bist du zehnfach der Narr, für den ich dich hielt.“ Sie wandte sich von ihm ab.
    Er berührte sie an der Schulter. „Ich wusste nicht, dass dein Vater dich nicht haben wollte, Rhiannon. Ich habe meine Worte schlecht gewählt, als ich dich meinen Fluch nannte. Kein Wunder, dass du so wütend auf mich bist.“ Sie drehte sich nicht zu ihm um. „Rhiannon, ich habe es nicht so gemeint, wie du es aufgefasst hast. Ich will doch nur …“
    Sie befreite sich aus seiner Berührung und sah ihn mit blitzenden Augen an. „Mir ist egal, was du willst, und die Deutung deiner eigenen Worte interessiert mich ebenso wenig.“
    „Rhiannon, wenn du mich erklären lassen könntest, würdest du verstehen, dass …“
    „Es spielt keine Rolle mehr, also belästige mich nicht weiter damit.“ Ihr Blick kühlte ab, bis er die Kälte in ihren Augen nicht mehr übersehen konnte. „Ich gehe fort, Roland. Wenn der Junge in Sicherheit ist und es Pandora wieder so gut geht, dass sie reisen kann. Ich gehe, und diesmal werde ich nie wieder einen Fuß über deine Schwelle setzen.“ Sie lächelte fast unmerklich, aber es war ein verbittertes und gequältes Lächeln. „Du solltest überaus erleichtert sein. Deinen Fluch gibt es bald nicht mehr.“

Keith
    11. KAPITEL
    Roland erwachte vor den anderen, zog das nach Mehltau riechende Heu von seinem Gesicht und bürstete es heftig von seiner Kleidung ab. Sein Schlaf war alles andere als ruhig gewesen.
    Er zählte sich selbst die möglichen Gründe dafür auf: Tamaras Wut auf ihn und der Keil, den er offenbar zwischen sie und Eric getrieben hatte; Sorge um Jamesons körperliches wie seelisches Wohlergehen; die Frage, ob sich die Katze wieder erholen und welche Auswirkungen das auf ihre Besitzerin haben würde.
    Aber in Wahrheit hatte keine dieser Fragen ihm den ganzen Tag über Seelenqualen bereitet. In Wahrheit waren es seine unbedachten Worte und der Schmerz, den er Rhiannon damit zugefügt hatte, die ihn quälten. Gott, könnte er doch mit dem Wissen, das er jetzt besaß, in der Zeit zurückreisen. Hätte er gewusst, dass ihr eigener Vater sie mit denselben Worten verstoßen hatte, „Du bist mein Fluch“, hätte er diesen verheerenden Vorwurf nie und nimmer wiederholt. Sicher, er musste sich von Rhiannon fernhalten, aber um nichts auf der Welt wollte er sie verletzen.
    In Wahrheit lag ihm viel an ihr. Mehr als er sich selbst eingestanden hatte. Wenn sie weit weg war, oh, da war es leicht, das zu verdrängen. Mit ihrer Rückkehr war es schwieriger geworden, aber nicht unmöglich. Ihre tollkühne Art und der großspurige Charakter ermöglichten es ihm, seine Verwirrung als Ablehnung und Missbilligung zu maskieren.
    Aber als er sie auf dem taunassen Waldboden gesehen hatte, wo sie hemmungslos geschluchzt und die verwundete Katze wie ein Baby in den Armen gehalten hatte, da konnte er es nicht mehr leugnen. Ihr Schmerz zerriss ihm das Herz. Plötzlich wünschte er sich nichts mehr, als ihr diesen Schmerz zu nehmen.
    Er schlenderte zur Seitentür und sank dabei mit den Füßen im verstreuten Heu ein. Drei Vögel flogen auf, als er unter den Balken hindurchging, auf denen sie saßen; sie schlugen panisch und lautstark in der hohen Scheune mit den Flügeln. Eine Feder schwebte an seinem Gesicht vorbei, er folgte ihrem Fall.
    Er ging hinaus und trat auf das trockene Herbstgras. Der kommende Winter lag schon in der Luft, aber am Himmel war kein Wölkchen zu sehen. Drahtiges Unkraut kratzte an seinen Schuhen, als er sich von der Scheune entfernte und mit allen Sinnen nach Fremden suchte. Er hörte nur die perfekte Harmonie der Grillen, das gelegentliche Surren einer Fledermaus, die über ihm dahinflog, das unirdische Heulen des Windes, der durch eine uralte Wetterfahne auf dem Scheunendach pfiff.
    Er wollte nicht, dass Rhiannon ging.
    Das wusste er schon in dem Moment, als ihr die Ankündigung über die Lippen gekommen war. Mit dem Wissen, dass er sie nie wiedersehen würde, würde seine Einsamkeit keine Grenzen mehr kennen. Sicher, sie war nie eine Konstante in seinem Leben gewesen, aber er hatte immer gewusst, dass sie da war. Stets hatte ihn die Gewissheit begleitet, dass sie kommen würde, wenn er sie rief; dass sie unangemeldet auftauchte, wenn er sie am wenigsten erwartete. Sie zog ihn in einen Wirbelwind hinein, der zum Sturm

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