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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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aber immer autoritärer und volksfremder wird. Der junge Schah hatte 1953 mithilfe eines CIA-Putsches – ein erster großer Fehler der Iran-Politik der USA – den damals gewählten populären Ministerpräsidenten MOHAMMAD MOSSADEGH (wegen dessen Politik der Verstaatlichung der Ölquellen) gestürzt.
    Doch im Nationalmuseum mit seinen Schätzen persischer Kunst aus drei Jahrtausenden wäre mir nicht eingefallen, dieser Schah, Sohn eines Generals und Emporkömmlings, würde auf die Idee kommen, hinter die islamische Zeitrechnung zurückzugehen und für sein Regime mit einer von ihm ausgeklügelten Zeitrechnung an den persischen Großkönig Kyros den Großen (559   –   530   v.   Chr.!) und die Zeit der Achämeniden anzuknüpfen. Doch 1971 nach der Geburt seines Sohnes Kyros (!) Reza lässt sich dieser Größenwahnsinnige im alten Persepolis doch allen Ernstes zum Großkönig krönen, und zwar anlässlich der Feier des völlig fiktiven 2500-jährigen Bestehens der iranischen Monarchie. Die Empörung der schiitischen Mullahs und der mit ihnen verbündeten Basaris (Basarkaufleute) ist gewaltig.
    Doch keine zehn Jahre später, im Jahr 1979, wird der diktatorisch regierende, von den USA gestützte und von westlichen Entwicklungsstrategen und Entwicklungspolitikern gehätschelte Schah aus dem Land gejagt. Aus seinem Exil in Frankreich kehrt zurück das Haupt der zu einem riesigen Strom angewachsenen revolutionären islamischen Bewegung, Ajatollah RUHOLLAH KHOMEINI . Für ihn sind die USA zum »Großen Satan« geworden, zugleich aber hält er auch zum atheistischen Sowjetsystem Distanz. Und statt der schon weit fortgeschrittenen Säkularisierung nach türkischem Muster folgt jetzt eine grundlegende Islamisierung der iranischen Gesellschaft. Nach einer Volksabstimmung kommt es zur Proklamation einer Islamischen Republik, die wesentlich von der schiitischen Geistlichkeit getragen ist. Opponenten, aber auch die aufgeklärten universalistischen Bahai, werden rücksichtslos verfolgt. Zustände wie während der Französischen Revolution mit Tausenden von Verhaftungen und Hinrichtungen.
    Tiefpunkt der Beziehungen mit den USA ist die Geiselaffäre, in der Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Teheran von revolutionären Kräften viele Monate gefangen gehalten werden. Nach gescheiterter CIA-Befreiungsaktion 1980 trägt diese Affäre wesentlich zum Wahlerfolg von RONALD REAGAN gegen den amtierenden Präsidenten JIMMY CARTER bei. Später sollte aufgedeckt werden, dass die Geiselbefreiung bis nach der Wahl durch Reagan-Leute absichtlich verzögert worden war, von Leuten, die auch den Iran-Contra-Skandal inszenierten: den Verkauf amerikanischer Waffen an Iran zur Bezahlung der nicaraguanischen Konterrevolution. Aber im September 1980 greift der allzu siegesgewisse irakische Diktator SADDAM HUSSEIN Iran an, unterstützt von den USA und anderen westlichen Staaten unter Einsatz konventioneller wie chemischer Waffen. Verhandlungsführer mit Saddam aufseiten der USA ist ausgerechnet DONALD RUMSFELD , der Mann, der später (2002/03) als Verteidigungsminister von Präsident Bush jun. einer der Hauptkriegstreiber gegen Saddam und den Irak werden wird!
    Ich verfolge diese ganze Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit. Sie leitet nicht mehr und nicht weniger als die Rückkehr des Islam auf die Weltbühne ein. Aber wie man auf eine Mäßigung der Französischen Revolution hoffen konnte, so auch auf eine der Islamischen Revolution. In Teheran bemüht sich als einer der wenigen der Direktor des deutschen Kulturinstituts (Goethe-Institut), Dr.   VANDENRATH, darum, wieder Fäden der Beziehung zwischen Iran und dem Westen zu knüpfen. In zähen Verhandlungen gelingt es ihm, ein Symposion von iranischen und deutschen Gelehrten zu organisieren – über das von Professor JOSEF VAN ESS vorgeschlagene neutrale Thema »Happiness«. Schon am 7. März 1984 ist es so weit, dass er auch mich zu diesem Symposion einladen kann. Rund 15 deutsche Professoren sagen zu.
    Doch der Krieg des US-Freundes Saddam Hussein gegen Iran zur Korrektur des Grenzverlaufes am Schatt el-Arab und zur Gewinnung neuer Ölquellen wird heftiger. Seit 1982 fallen Bomben auf Teheran und andere iranische Städte. Zivilcourage aber ist anscheinend nicht gerade die erste Professorentugend: Meine Kollegen sagen daraufhin ihre Teilnahme am Symposion in Teheran ab. Als Einziger bleibe ich bei meiner Zusage, allerdings unter der Bedingung, dass ich nicht über »Happiness«,

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