Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
besprochen werden, hat aber Teddy Kollek nicht daran gehindert, beim Projekt Weltethos mitzumachen und für das Buch »Ja zum Weltethos« (1995) einen schönen Beitrag zu schreiben mit dem Titel: »Eine Antwort aus Jerusalem zum Projekt eines Weltethos«.
Eine Friedensvision für den Nahen Osten
Am 2. Februar 1991 halte ich beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos einen Vortrag mit dem Titel »Eine Friedensvision für den Nahen Osten – Die Verantwortung von Juden, Christen und Muslimen«. Vor dem Hintergrund des seit August 1990 herrschenden Golfkriegs bin ich überzeugt, dass es keinen Frieden im Nahen Osten gibt, wenn die abrahamische Ökumene nicht weltpolitisch wirksam gemacht werden kann und Juden, Christen und Muslime den frommen Fanatikern in ihrem eigenen Lager wehren. Was können sie tun?
Positiv ausgedrückt:
– Aufgrund der Hebräischen Bibel und des Neuen Testaments sollten sich Juden und Christen gemeinsam einsetzen für die Würde der arabischen und islamischen Völker, die nicht die letzten Kolonien auf dieser Erde sein wollen.
– Aufgrund von Koran und Neuem Testament sollten sich Muslime und Christen gemeinsam engagieren für das Lebensrecht des jüdischen Volkes, das mehr als alle anderen Völker in den letzten 2000 Jahren gelitten hat und beinahe ausgerottet worden wäre.
– Aufgrund von Hebräischer Bibel und Koran sollten sich Juden und Muslime gemeinsam einsetzen für die bedrohte Freiheit der Christengemeinden in manchen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens.
– Also ein gemeinsames Engagement also aller drei Religionen für Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit, für Menschenwürde, für Menschenrechte und die Erhaltung der Schöpfung, in Zusammenarbeit selbstverständlich auch mit den Völkern der indischen , chinesischen oder japanischen Tradition.
Am Ende des Davoser Vortrags mache ich darauf aufmerksam, dass sich die Religionen schlicht auf ihr eigenes Programm besinnen sollten, in dem das Wort Frieden – in der Hebräischen Bibel » schalom «, im Koran » salam « und im Neuen Testament » eirene «, oder lateinisch »pax« – eine so große Rolle spielt:
– »Suche Frieden und jage ihm nach!«, hören wir aus den Psalmen (Ps 34,15). »Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden«, ist die Friedensvision des Propheten Jesaja: »Kein Volk wird wider das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen« (Jes 2,4).
– »Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden«, heißt es in der Bergpredigt (Mt 5,9). Und der Apostel Paulus: »Vergeltet niemandem Böses mit Bösem!« (Röm 12,17).
– Und der Koran, bei aller Aufforderung, gegen die ungläubigen Feinde zu rüsten, fordert: »Und wenn sie (die Feinde) sich dem Frieden zuneigen, dann neige auch du dich ihm zu und vertrau auf Gott« (Sure 8,61). Und: »Wenn sie (die Ungläubigen) sich von euch fernhalten und nicht gegen euch kämpfen und euch Frieden anbieten, dann erlaubt euch Gott nicht, gegen sie vorzugehen« (Sure 4,90).
Es war mir eine Freude zu sehen, dass mein Schüler Karl-Josef Kuschel sich in Forschung und Lehre besonders für den »Trialog« zwischen den drei abrahamischen Religionen mit Leidenschaft eingesetzt hat: Sein großes Werk »Juden, Christen, Muslime. Herkunft und Zukunft« (Düsseldorf 2007) stellt eine »Summa« seiner Bemühungen dar.
Dies ist mein Desiderat für die Zukunft: Keine Synagoge, Kirche oder Moschee sollte es mehr geben, die nicht für die religiöse Verständigung einen Beitrag leistet. In allen Synagogen, Kirchen und Moscheen sollte für den Frieden nicht nur gebetet, sondern aktiv geworben und gearbeitet werden. Alles eine reine Utopie, ein Nirgendwo? Nein, eine Vision, die mit Phantasie, Mut und unermüdlichem tatkräftigen Einsatz realisiert werden kann – wenn nicht wieder eine welthistorische Chance verpasst wird. Und eine solche war 1989 gegeben – eine andere wurde im Jahr 2000 verpasst.
Nur ein fairer Friede kann Angst nehmen
Das erste Camp-David-Abkommen vom 17. September 1978, das Präsident JIMMY CARTER mit dem ägyptischen Staatspräsidenten ANWAR AS-SADAT und dem israelischen Premierminister MENACHEM BEGIN aushandelte, hatte Bestand, weil es von beiden Seiten als fair angesehen wurde. Das zweite Camp-David-Abkommen, das Präsident BILL CLINTON im Sommer 2000 zwischen dem israelischen Premierminister EHUD BARAK und dem Palästinenserpräsidenten JASSIR ARAFAT aushandeln wollte, kam
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