Erlöst mich: Thriller (German Edition)
wünschte, dass es passierte.
Sie hatte sich ihm nicht offen genähert, aber einmal, während er noch wie ein Wasserfall sprudelte, hatte sie ihm die Hand auf den Arm gelegt, und als sie aufstand, um ihr Wasserglas nachzufüllen, hatte sie ihn gestreift, eine kleine, allerdings vielsagende Geste.
Er war ihr in die Küche gefolgt, hatte seine Arme um sie geschlungen und sie an sich gezogen.
Sie hatten sich geküsst. Heftig. Für sie war es der erste Kuss seit einem missglückten One-Night-Stand im Sommer in Costa Rica. Und obwohl sie ihn wegschob und protestierte, war die fehlende Entschiedenheit in ihrer Stimme nicht zu überhören, und als er sie wieder an sich zog, wehrte sie sich nicht mehr.
Sie hatten sich auf dem Wohnzimmerteppich geliebt, und alles war so, wie es sein sollte: intensiv, leidenschaftlich und geräuschvoll.
Danach hatte sie schreckliche Schuldgefühle bekommen. Obwohl sie seiner Familie nie begegnet war, wusste sie, dass sie der Beziehung zu seiner Frau geschadet hatte, auch wenn die Initiative von ihm ausgegangen war. Und dieses Mal konnte sie es nicht auf den Alkohol schieben. Sie hatte es stocknüchtern und ganz allein getan.
Sie versuchte, einen Strich unter das Geschehene zu ziehen, erklärte ihm, es dürfe nicht noch einmal vorkommen. Trotzdem war es wieder passiert. Viel zu häufig. So häufig, dass es bald der wahre Grund ihrer Treffen wurde, und die Nachforschungen gegen Paul Wise in den Hintergrund gerieten. Was wiederum noch stärker an ihr nagte. Sie mochte Nick Penny wirklich, weitaus mehr sogar, als sie erwartet hatte. Trotz des Chaos’ in seinem Leben wurde er nie anhänglich oder verbittert, sondern blieb seinen Überzeugungen treu und verstand es sogar, sie zum Lachen zu bringen. Doch ihr war klar, dass ihre Affäre keine Zukunft hatte und eines schönen Tages, und zwar eher früher als später, in Tränen und Vorwürfen enden würde. Deshalb machte sie Schluss. Er flehte sie an, es sich noch einmal zu überlegen, aber sie war unnachgiebig geblieben. Es musste Schluss sein. Zu ihrer beidem Besten. Und wegen ihrer Ermittlungen gegen Paul Wise. Schließlich hatte er sich in das Unvermeidliche gefügt, aber versprochen, sie anzurufen, wenn er neue Informationen hätte.
Seitdem hatten sie nur einmal miteinander gesprochen; vergangenen Donnerstag. Er hatte gesagt, wie sehr er sie vermisse und noch einmal gefragt, ob sie es sich nicht anders überlegen wolle, schien jedoch nicht gekränkt, als sie »Nein« sagte. Er hatte auch keine Anzeichen einer tiefen Depression gezeigt, die zu einem Selbstmord hätte führen können. Wie sie versucht hatte, DS Weale zu vermitteln, schien Nick einfach nicht der Typ dafür. Trotz der Schläge, die er hatte einstecken müssen, war genug Leben in ihm, weiterzukämpfen und nicht aufzugeben. Das war einer der Gründe gewesen, weshalb sie ihn so attraktiv gefunden hatte.
Und jetzt war er tot. Nur noch ein weiterer Name auf der
wachsenden Liste von Toten, die Tina nahegestanden hatten. Simon Barron, ihr Partner bei der CID, war vor mehr als sechs Jahren erstochen worden, danach ihr Verlobter, John Gallan, ein angeblicher Selbstmord, das Werk eines von Paul Wise geschickten Killers. Schon damals begannen die Kollegen sie hinter ihrem Rücken »Die schwarze Witwe« zu nennen, was sich vielleicht wieder gegeben hätte, wenn nicht wenige Jahre darauf ihr damaliger Boss bei der CMIT, DCI Dougie MacLeod, zu Tode gekommen wäre. Er wurde im Verlauf einer Ermittlung ermordet, die Tina massiv vorangetrieben hatte, und prompt flammte das Gerede von der schwarzen Witwe wieder auf, diesmal sogar in den Medien. Weiß Gott, was sie nun nach dem Tod von Nick Penny aus ihr machen würden.
Sie würde ihre gesamte Selbstdisziplin aufbringen müssen, um nicht rückfällig zu werden. Angesichts ihrer Medienbekanntheit würde ihr Verhältnis zu Nick ziemlich sicher an die Öffentlichkeit gezerrt werden. Was ihr grelle Schlagzeilen, den Zorn von Nicks Frau und Peinlichkeiten und dumme Sprüche im Dienst eintragen würde. Die nächsten Tage drohten verdammt hart zu werden.
Um der Sache so weit wie möglich die Spitze zu nehmen, hatte sie, sobald ihre Unterhaltung mit Weale beendet war, auf dem Revier angerufen und mit Bob Levine, ihrem neuen DCI, gesprochen. Levine war ein durchaus solider Cop, und seine Untergebenen hielten ihn größtenteils für fair und korrekt, doch wie viele ältere männliche Polizisten war er ihr gegenüber stets reserviert geblieben und
Weitere Kostenlose Bücher