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Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Titel: Erlöst mich: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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wurde.
    Morris hatte das Ganze rein gar nichts ausgemacht. Als
wir ihn keine vierundzwanzig Stunden später verhafteten und ihm erklärten, was geschehen war, zuckte er nur mit den Schultern und sagte, er habe damit nichts zu tun. Er antwortete auf jede einzelne Frage, die wir ihm stellten, mit einem teilnahmslosen »Kein Kommentar« und sah dabei unerträglich selbstgefällig aus, weil er wusste, dass er sich des Beistands des adretten Privatschul-Anwalts neben sich gewiss sein konnte. Und dem war es, soweit ich sehen konnte, ebenfalls egal, was Morris angerichtet hatte. Sein Benehmen ließ keine Furcht vor den Konsequenzen erkennen, kein Bedauern, dass er so viele Leben zerstört hatte, und ich erinnere mich nur zu gut, wie verzweifelt gern ich ihn in diesem Moment umgebracht hätte, ihm eine Pistole an den Kopf gehalten hätte, damit er um Gnade und Verzeihung winselte, und wenn mir das nicht vergönnt war, dann wollte ich wenigstens ein anderes Schwein umbringen, das es genauso verdient hatte wie er.
    Zehn Minuten nach der Vernehmung rief ich Raymond an und sagte, ich würde den Job erledigen. Drei Tage später lauerte ich spätabends Vincent Stanhope bei einer seiner Lagergaragen auf, und als er herauskam und zu seinem Wagen ging, jagte ich ihm zwei Kugeln in den Hinterkopf.
    Die Tat selbst fiel mir leicht, erst danach, als ich in mein schäbiges kleines Apartment zurückkehrte, wurde mir langsam bewusst, was ich getan hatte, und ich musste mehrfach kotzen, ehe der Schock mich überwältigte. In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf. Stattdessen saß ich die ganze Zeit wach, rauchte und trank und quälte mich mit paranoiden Gedanken – dass meine eigenen Kollegen mich verhaften würden und ich den Rest meiner Tage im Gefängnis verbringen würde –, bis ein schmutziges Morgengrauen
den Himmel über London aufhellte und ich erneut kotzen musste.
    Das ist jetzt über zehn Jahre und wahrscheinlich doppelt so viele Leichen her, und inzwischen wird mir nicht mehr schlecht, wenn ich jemanden umbringe. Ich habe mich daran gewöhnt. Ich rede mir zwar immer noch ein, dass die Typen, die ich abmurkse, allesamt üble Gestalten sind, doch ganz egal wie ich es drehe und wende, bleibt am Ende die Tatsache, dass ich ein Profikiller bin. Und wie Bertie Schagel mir freundlich bedeutete, ein sehr guter.
    Und Kyle Morris? Er bekam vier Jahre wegen Totschlags und wurde nach zweieinhalb freigelassen.
    Als ich an jenem Abend den Cathay-Pacific-Flug nach Manila bestieg und mich mit all den Gastarbeitern, die nach Hause zu ihren Familien zurückkehrten, in die Economy Class zwängte, wurde mir schlagartig bewusst, dass es wahrhaft keine Gerechtigkeit auf Erden gab.

6
    Als Tina Boyd die Haustür ihres Reihenendhauses hinter sich schloss und in die Küche ging, verspürte sie das Bedürfnis nach einem Drink, und zwar so stark wie seit sechs Monaten nicht mehr. Immerhin war sie auf dem Weg nach Hause klug genug gewesen, nicht anzuhalten und sich eine Flasche zu kaufen. Auf gar keinen Fall würde sie wieder mit Alkohol anfangen. Nicht nach all dem Unheil, das er über die Jahre bei ihr angerichtet hatte. Zum Glück war kein Tropfen im Haus. Stattdessen mixte sie Orangensaft und Sprudel zu ihrem allabendlichen Schnapsersatz und trank die Schorle in kräftigen Zügen. Dann ließ sie sich auf den Stuhl am Küchentisch sinken, zündete sich eine Zigarette an und ließ die jüngsten Wendungen ihres turbulenten Lebens Revue passieren.
    Sie hatte es von Anfang an bereut, sich mit Nick Penny eingelassen zu haben. Sie wusste aus Erfahrung, dass Affären mit verheirateten Männern nicht funktionierten und allen Beteiligten nur Schmerz zufügten. Trotzdem war es einige Wochen vor Weihnachten passiert, als er bei ihr vorbeischaute, um sie auf den aktuellen Stand seiner Nachforschungen zu bringen. Irgendwie hatte es sich eingependelt, dass sie sich immer häufiger in ihrer Wohnung trafen. Hier konnten sie sich ungestört unterhalten, und zudem hatte sie
keine Bedenken gehabt, einen verheirateten Mann zu sich einzuladen. Auch wenn sie ihn nicht unattraktiv fand, beschränkte sich ihre Beziehung auf das Geschäftliche. Doch in jener Nacht hatte er ihr sein Herz ausgeschüttet, ihr den Druck gebeichtet, den die Verleumdungsklage auf ihn, seine Ehe, auf einfach alles ausübte. Sie hatte ihm mitfühlend zugehört, er hatte ihr leidgetan, weil sie wusste, wie hart das Leben manchmal sein konnte. Und ein Blick in seine Augen verriet ihr, dass er sich

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