Erlöst mich: Thriller (German Edition)
einige Zeit nicht zurückkehren können.
Sie hoffte, das Geschehene würde sie nicht aus ihrem geliebten neuen Heim treiben. Eine ähnliche Attacke in ihrem alten Apartment hatte sie veranlasst hierherzuziehen. Doch als sie die Tür zum Gästezimmer, das sie als Rückzugsort benutzte, aufstieß und sah, was sie mit dem Schaukelstuhl gemacht hatten, den sie vor einigen Wochen im Antiquitätenladen auf der Main Street gekauft hatte und in den sie sich manchmal abends setzte und durchs Fenster aufs Dorf hinausblickte, wurde ihr beinahe schlecht. Sie hatten ihn neben das Bett gestellt und an Lehnen und Beinen Seile angebracht, während auf dem Boden zwei Flaschen billigen Rotweins und ein Plastiktrichter standen.
Schweinehunde. Ihr Plan war offenbar gewesen, sie zu betäuben, auf ihren Stuhl zu fesseln und ihr den Rotwein mit Gewalt durch den Trichter zu verabreichen. Hätten sie das geschafft, wäre sie so betrunken gewesen, dass sie sich nicht mehr hätte wehren können, wenn sie sie ausgezogen und in der Badewanne ertränkt hätten. Niemand hätte Verdacht geschöpft. Tinas kaum überwundener Hang zum Alkoholismus war einigen Kollegen bekannt, ebenso wie
ihre Stressanfälligkeit und ihre Neigung, in solchen Situationen irrational zu handeln. Ihre Kollegen wären ohne Zweifel zu dem Schluss gekommen, dass der Tod ihres Geliebten ihr einen schweren Schlag versetzt haben musste. Niemand hätte ihre Haut nach Einstichspuren untersucht. Und ohne offensichtliche Verletzungen hätte es so ausgesehen, als wäre sie volltrunken in die Badewanne gestiegen und absichtlich oder unabsichtlich unter Wasser geglitten.
Die skrupellose Präzision ihrer Widersacher erschreckte sie, aber natürlich verfügte Paul Wise über die Mittel, nur die Besten anzuheuern. Sie hatte Glück gehabt vorhin, wie auch schon öfter in der Vergangenheit. Sie starrte den Schaukelstuhl an und wusste, sie würde nie wieder darin Platz nehmen können. Der unangenehme Gedanke, das Glück könnte sich bald endgültig gegen sie wenden, stieg in ihr auf.
Entweder sie erwischte Paul Wise oder er sie. So einfach war das.
Sie ging noch einmal ins Schlafzimmer, um den Wanzendetektor, den sie mit dem restlichen Inhalt der Schublade ihrem Angreifer entgegengeschleudert hatte, vom Bett aufzuheben, steckte ihn in die Reisetasche, schlang sie sich über die Schulter und verließ das Haus. Draußen sah sie sich vorsichtig in beide Richtungen um, falls die Killer beschlossen hatten, zurückzukehren und ihr aufzulauern.
Doch die Straße lag ausgestorben da. Nur die Lichter des Carpenter’s Arms, des örtlichen Pubs, leuchteten in einiger Entfernung, und das Wirtshausschild schaukelte sanft im kalten Februarwind.
Ihr Wagen, ein schwarzer Ford Focus, stand vor dem Haus, und sie fuhr ihn mit dem Detektor ab, falls die Killer
einen GPS-Tracker angebracht hatten. Der Detektor war allerdings nicht zu hundert Prozent verlässlich, die allerneueste Hightech-Elektronik würde sie damit nicht aufspüren, aber Tina glaubte eh nicht, dass sie genug Zeit gehabt hatten, ihr etwas anzuhängen.
Da der Detektor kein Summen von sich gab, glaubte Tina sicher zu sein und stieg ein. Das Dorf hatte drei Ausfallstraßen, doch nur eine führte direkt zur M25, und wenn die beiden sich entschieden hatten, ihr aufzulauern, würden sie das wohl dort tun. Deshalb fuhr sie in entgegengesetzter Richtung davon und bewegte sich über ausgestorbene, von Hecken gesäumte Landsträßchen, die einer anderen, unschuldigeren Welt zu entstammen schienen.
Als sie sich eine Zigarette anzündete und den Rauch bis in die Lungenspitzen inhalierte, spürte sie eine intensive Euphorie der Art, die sie früher nur nach zwei soliden Gläsern Wodka überkommen hatte. Vor ein paar Minuten wäre sie fast draufgegangen, dennoch blieb der Schock, der fraglos einsetzen würde, bislang aus, und fast hätte sie laut aufgelacht, aus Erleichterung, weil sie verdammt noch mal überlebt hatte.
Sie dachte an Paul Wise, an den fiesen kleinen Zwerg, fragte sich, was wohl in ihm vorgehen würde, wenn er erfuhr, dass sie noch am Leben war, und deutete dann mit der Glut ihrer Zigarette auf ihr verbeultes, aber unbeugsames Ebenbild im Rückspiegel.
»Ich krieg dich«, sagte sie laut. »Und dieses Mal schnappe ich dich mir.«
10
Der Mann, den die, die ihn beauftragten, nur unter dem Namen Nargen kannten, stand in einer Telefonzelle und wartete, dass der Mann am anderen Ende sich meldete.
»Ist die Verbindung sicher?«, wollte
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